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Klemperer, Viktor

Klemperer, Viktor

Titel: Klemperer, Viktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Tagebücher
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Lazarett bringen, wir wehrten ab: nur Überanstrengung, Blutleere im Kopf. Das brachte nun die Sympathieen auf den Höhepunkt. Der Paß für uns kam. Wie aber nach München herein? Ein älterer Herr, offenbar schon im freundschaftlichen Geschäftsverkehr mit dem Government: wir könnten gern mit ihm fahren. Es war der Director der Kunstmühle Aichach AG , die täglich nach München liefert. Abfahrt ¾ 7 – aber wie sollten wir von Unterbernbach aus schon um 6 45 in Aichach sein? – Sie überbringen dem * Bürgermeister unsere Ordre, Sie mit Gepäck morgen früh – oder übermorgen – wie es uns passe – hereinfahren zu lassen! Segenswünsche u. Entlassung; da flüsterte mir die Französin zu, wir sollten draußen warten, man hätte noch etwas für uns, das dürfe nur der lieutenant nicht sehen. Kaum standen wir draußen, kam der jewish soldier u. schüttete mir schweigend etliche Conserven in die Handtasche: Cheese with bacon u. – offenbar deutsches Heeresgut – Tilsiter Käse in einer Tube. – Wie hätte ich nach all diesen Sympathiekundgebungen annehmen können, hier in M. auf ganz andere Behandlung zu stoßen? Wie hätte es mir nicht hybridisch zu Kopf steigen sollen, ich gehörte nun zu den Auserwählten, als jüdisches Opfer der Nazis u. als großes Tier der many books? – Wir sagten uns beide, dies sei ein großer Erfolg, u. wir wollten gleich den nächsten Tag weiter, um nicht erst in die Bureaupausen der Pfingsttage zu geraten. Vielleicht seie säßen wir schon Freitag Mittag in einem Auto, voire einem Flugzeug!, u. Freitag Abend in Berlin oder Dresden. Berlin war * E. s Idee, dort dürfte die Centrale der alliierten Verwaltung sein. Und mich selber lockte Berlin gewaltig .. Wir aßen im Bauerntanz ein dürftigstes Mittagbrod; das Café Mayer war geschlossen, aber die freundliche Wirtin ließ uns im Hof sitzen u. machte uns eine Limonade zurecht, die sie nachher nicht einmal bezahlt nahm. Mehr konnte sie nicht vorsetzen, denn sie war von poln. u. russ. Arbeitern ausgeplündert worden u. hatte ihr Geschirr der amerik. Offiziersmesse ausliefern müssen. Wir wanderten dann in schwerer Hitze zurück.
    E. hielt sich tapfer; das Gefühl des großen Erfolges, die Hoffnung auf die nächste Zukunft, gaben mächtigen Aufschwung. Von 18 h an waren wir nun in Ub. 1 wirklich die großen Tiere. * Flamensbeck beorderte ein Pferdefuhrwerk für 5 h. früh. Nach Vorschrift der Amerikaner durfte man nicht vor 6 h auf der Straße sein. Aber für mich lag ja Sonderauftrag u. Sonderpost vor! Wir erzählten bei * Fl s, danach beim * Pfarrer (Abschiedsbesuch!), danach im Schulhaus von meiner dreifach bedeutsamen Tätigkeit in Dresden als Hochschulprofessor, Staatscomissar der Mittelschulen, oberster Mitarbeiter am Aufbau des Volksschullehrerstudiums, ich war ein ganz unentbehrliches, ganz großes Tier, dem die Alliierten sicherlich u. ganz zweifelsohne auf allerschnellstem Weg nach Dresden verhelfen würden. Ich erzählte das auch der plattnasigen Berlinerin, die schon von unserem triumphalen Rücktransport gehört hatte u. zu uns heraufkam, während E. unermüdlich packte. Ich erzählte es auch * * Wagners, von denen wir uns verabschiedeten. Vor ganz Ub. strahlte ich in Glorie. Üßris, Üßris!! Nach dem Abendessen schenkten uns Fl s noch als Wegzehrung einen großen Block Speck u. zehn Eier. Wir schieden wirklich von den Fleischtöpfen Aegyptens. Wir waren dann noch in der Schule. * * Die Schwestern konnten sich nicht genug tun in Freundlichkeiten. Wir bekamen (für alle Fälle! wenn wir doch etwa Aufenthalt in München hätten) ein Empfehlungs- Einführungsschreiben für ihre Wohnung in Laim , 2 sie schenkten uns noch Seife u. ein Paar Strümpfe für E, u. das Steinersche Dienstmädchen sollte am Freitag die Sachen, die wir vom Pfarrer u. von Steiners geliehen, zurückholen. Wir wurden von den Schwestern fraglos beneidet, es lag ihnen fraglos an unserer späteren Gunst.
    Ich schreibe dies alles seit heute, Montag, Morgens zu verschiedenen Zeiten im Speiseraum des Martinsspitals, in dem wir gestrandet sind – stranden ist der Wahrheit ungleich näher als landen. Ich will im zusamenhängenden Nachtrag, auf Stichworte gestützt, ohne Unterbrechung fortfahren.
    Meine Military Government Exemption, 3 gültig vom 17–20 Mai, lautete merkwürdigerweise: Permitted to travel from Unterbernbach to Munich with his wife. Reasons: It is necessary to visit a Doctor in Munich. – Da war ich schon weniger großes Tier, aber diesen

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