Klemperer, Viktor
echt und wenig europäisiert. Sehr gut und sehr schön auch seine Frau an der Küste, hell und negroid, ich vermute amerikanisches Halbblut. Wunderbare Landschafts-und Tieraufnahmen vom afrikanischen Strom.
12. Juni, Freitag.
Ich zwinge mich jetzt in die * Confessions hinein, will nun ein zwei Monate stricte bei Textlektüre bleiben, Notizen dazu machen und dann mein Heil versuchen. Die Geschichte des 18. Jh. s muss ich durchaus zuende führen.
Einen vielbändigen jungen Amerikaner, den * Natscheff uns angelegentlich empfohlen hatte, konnten wir auf keine Weise goutieren. * Thomas Wolfe: Schau heimwärts, Engel 6 Wir gaben es nach hundert Seiten auf. Die epischen Fäden wirr und ohne sonderliche Bedeutung, immer wieder unterbrochen von anspruchsvollen und trivialen dunkel philosophierenden Lyrismen, deren Dunkelheit noch durch eine unmögliche Übersetzung verstärkt wird.
Jetzt lese ich die dichterisch wenig bedeutende aber sittengeschichtlich interessante Geschichte einer englisch und offenbar für Europäer schreibenden Japanerin vor. * Etsu Inagaki Sugimoto 7 : Heirat in Nippon (A daughter of the Nari Kin).
Nach langer Zeit wiedermal ein Wort zur Sprache des Dritten Reichs: Der Tod eines Hotelinhabers wird von seiner GEFOLGSCHAFT angezeigt.
Gestern Abend war – das letzte Mal – * Isakowitz bei uns. Zugleich die unverwüstliche * Frau Schaps, eben aus Italien zurück.
Nun ist nachzutragen die grosse bisher grösste Fahrt vom letzten Sonntag zu * * Scherners, hin und zurück mit einigem Herumirren in Chemnitz 290 km., begonnen um ½ 11, beendet um ½ 1 Nachts.
14. 6. Falkenstein = Fahrt am 7. Juni.
Die Strecke: Tharandt, Grillenburg, Freiberg, Chemnitz, Mittelbach, Zwickau, Auerbach, Falkenstein. Zurück ebenso bis Freiberg, dann Wilsdruf, Kesselsdorf. Regnerisches Wetter, Verdeck geschlossen, aber zumeist guter Ausblick und der süsseste Geruch von Heu und Maiwuchs. Die Landschaft wieder das sächsische Bild im allgemeinen. Ich hatte erwartet der bayrischen Grenze zu ausgesprocheneres Gebirge zu finden – im Gegenteil, die Berge treten zurück, das Land nivelliert sich, aber als Hochebene; es wurde empfindlich kühl, und wir sahen blühenden, ja noch knospenden Flieder. Dies scheint mir das Charakteristische des Landschaftseindruckes im Fahren, dass sich weite Strecken zu einer Gesamtimpression zusammenziehen. Und das Besondere an Sachsen oder doch diesem Industrieteil von Sachsen sind die endlosen Ortschaften, langzeilig, fast ineinander übergehend, das Dorf nicht viel anders aussehend als die Kleinstadt. Wirkliche Grossstadt, ein Klumpen und nicht nur eine Zeile, ist auf dieser Strecke wohl nur Chemnitz. Von Zwickau prägte sich mir der trostlos giftige Kohlengeruch ein, wie wir ihn gleicherweise vor ein paar Jahren auf einem Ausflug nach Karlsbad im Vorbeifahren an böhmischen Kohlengruben (aber ausserhalb der Städte!) kennen lernten.
Die schönste Glücksstimmung empfanden wir auf der Hinfahrt in der Freiberger Gegend; der Wagen lief frei und leicht, der Blick ging über Wald[,] Wiesen, Felder zu kräftigen grünen Hügeln, es roch herrlich. Kurz darauf der erste von drei unangenehmen Zwischenfällen, die alle drei glimpflich abliefen. Zwei ganz junge Radler schusselten vor uns her, der eine torkelte mit dem Vorderrad gegen meinen Kühler und flog hin. Ihm geschah nichts, und mein Bock hielt sofort. Aber ein entgegenkomender Autler hielt die Partei der Radfahrer, es gab einen heftigen Wortwechsel, ehe wir weiterfuhren. Da dem Jungen und seinem Rad kein Unheil wide zugestossen war, so konnte die Sache keineswegs ernste Folgen haben (und bis heute habe ich auch nichts weiter davon gehört); immerhin war die Glücksstimmung gründlich verflogen. – Bald nachdem wir uns durch Chemnitz gewunden hatten, stießen wir (das erstemal) auf eine der neuen Autostrassen, geradlinig zwischen hohen festen Randmauern, wie eine breite Rennbahn, mit gelegentlichen Ausbuchtungen, ausdrücklich für Kraftwagen allein bestimmt, aber doch auch von ein paar Radlern benutzt. Mein Bock, der sonst im dritten Gang geradezu schwebend gleitet, hatte kurz vorher zu rütteln begonnen, sodass wir an einen [P]lattfuss glaubten. Die Reifen waren aber alle in Ordnung, und ich wollte den Wagen jetzt ordentlich laufen lassen. Ich gab Vollgas, das Rütteln wurde immer heftiger, und der Tachymeter 1 ging nicht über 40 km. Nach einiger Zeit schloss die Neue Anlage mit einer grossen Schleife und ging dann in übliche
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