Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Klex in der Landschaft

Klex in der Landschaft

Titel: Klex in der Landschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
Vom Netzwerk:
reibt, dann bist du ein größerer Trottel, als ich gedacht hatte.« Sir Giles hatte den Rückzug in sein Arbeitszimmer angetreten und seine Frau für ihren Scharfblick verflucht. Als der Name Ottertown fiel, lag so ein bösartiges Glitzern in ihren Augen, und beim Frühstück hatte sich ihm nach dem einen oder anderen Seitenhieb ihrerseits über Grundstücksspekulanten die Frage aufgedrängt, ob sie womöglich irgendwie von Hoskins’ neuem Haus Wind bekommen habe. Jetzt kam aus Whitehall auch noch dieser verfluchte Beamte, um seine Nase in die Angelegenheit zu stecken! Schließlich – und das beunruhigte ihn am allermeisten – waren da noch diese Stimmen gewesen. Oder besser gesagt, eine Stimme: seine eigene. Als er vor dem Mittagessen seinen Wagen parkte, hatte er ganz deutlich gehört, wie er irgend jemandem versicherte, er könne sich darauf verlassen, daß er dafür sorgen werde, daß nichts unternommen würde, was in irgend einer Weise eine Gefahr für .. Sir Giles hatte sich erstaunt im Hof umgeschaut und wilde Vermutungen angestellt. Einen Augenblick lang hatte er den Verdacht, er führe Selbstgespräche, doch die Zigarre in seinem Mund hatte diese Erklärung widerlegt. Außerdem war die Stimme ganz deutlich zu hören gewesen. Es handelte sich also um ein höchst beunruhigendes Erlebnis, für das es keinerlei rationale Erklärung gab. Zwei stramme Whiskys hatten ihn davon überzeugen müssen, daß er sich das Ganze bloß eingebildet hatte. Um sich nach diesem Ereignis auf andere Gedanken zu bringen, saß er jetzt an seinem Schreibtisch und konzentrierte sich auf die Autobahn.
    »Finte, also wirklich«, murmelt er vor sich hin. »Ich frage mich, was sie gesagt hätte, wenn Leakhams Entscheidung für Ottertown ausgefallen wäre.« Der Gedanke war müßig, das kam schließlich gar nicht in Frage. Man würde nie und nimmer eine Autobahn durch Ottertown bauen. Sonst bekäme der alte Francis Puckerington seinen nächsten Herzinfarkt. Der alte Francis Puckerington .. Sir Giles machte eine gedankliche Vollbremsung, überwältigt von seiner brillanten Intuition. Francis Puckerington, Abgeordneter für den Wahlkreis Ottertown, lag im Sterben. Was hatten die Ärzte doch gleich gesagt? Er hätte Glück, wenn er bis zur nächsten Unterhauswahl am Leben bliebe. Es zirkulierten Gerüchte, er würde sein Mandat zurückgeben. Und sein Vorsprung bei der letzten Wahl war minimal gewesen, irgendwas um fünfzig Stimmen herum. Wenn sich Leakham für die Strecke durch Ottertown entschieden hätte, wäre das der Todesstoß für den alten Francis gewesen. Und damit wäre eine Nachwahl notwendig geworden. Sir Giles’ durchtriebenes Hirn ging die Konsequenzen durch.
    Eine Nachwahl, bei der das Thema Autobahnbau und Zerstörung von fünfundsiebzig Sozialbauten im Mittelpunkt stünde, und das mit einem Vorsprung von fünfzig Stimmen bei der letzten Wahl. Gar nicht auszudenken? Sein Fraktionsvorsitzender würde schier ausrasten. Leakhams Beschluß würde man aufheben und die Autobahn zu guter Letzt doch durch die Cleene-Schlucht führen. Aber am allerbesten war, daß nicht der leiseste Verdacht auf Sir Giles fiele. Es war ein genialer Trick. Dadurch behielt er eine weiße Weste. Gerade wollte er zum Telefon greifen und Hoskins anrufen, als ihm der Gedanke kam, er solle vielleicht abwarten, was der Mensch vom Ministerium zu sagen hatte. Er durfte jetzt nichts übereilen. Morgen früh wollte er Hoskins aufsuchen. Von frischem Widerstandsgeist durchdrungen, verließ er sein Arbeitszimmer, suchte sich aus dem Ständer im Flur einen großen Spazierstock aus und ging im Garten spazieren.
    Es war ein herrlicher Nachmittag. Aus einem wolkenlosen Himmel strahlte die Sonne. Vögel sangen. Die blühenden Kirschbäume am Küchengarten blühten vor sich hin, und Sir Giles persönlich erblühte vor blasierter Selbstzufriedenheit. Er blieb einen Moment stehen, um die Goldfische im Zierteich zu bewundern, und dachte nebenbei darüber nach, wie er die Entschädigungssumme möglicherweise auf dreihunderttausend hochtreiben könne, als er sich zum zweitenmal an diesem Tag selbst reden hörte. »Verdammt will ich sein, wenn ich zulasse, daß diese Landschaft von einer Autobahn entweiht wird. Ich werde die Angelegenheit so bald wie möglich im Unterhaus zur Sprache bringen.« Von panischem Schrecken erfaßt, blickte er um sich, doch im Garten war niemand zu sehen. Er drehte sich um und musterte das Haus, aber sämtliche Fenster waren geschlossen. Zu

Weitere Kostenlose Bücher