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Klex in der Landschaft

Klex in der Landschaft

Titel: Klex in der Landschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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Autobahn führen sollte, samt der vorgesehenen Entschädigungssummen. Letzterer schenkte Dundridge seine Aufmerksamkeit. Ein einziger Blick verdeutlichte ihm die Dringlichkeit seiner Ernennung und die Schwere seiner Aufgabe. Die Liste las sich wie eine Aufzählung der Oberschicht dieser Grafschaft. Sir Giles Lynchwood, General Burnett, Oberst Chapman, Mr. Bullett-Finch, Miss Percival. Unangenehm berührt starrte Dundridge auf die Namen, ungläubig auf die Beträge, die man ihnen bot. Eine Viertelmillion Pfund für Sir Giles. Einhundertfünfzigtausend an General Burnett. Einhundertzwanzigtausend an Oberst Chapman. Sogar Miss Percival, augenscheinlich Lehrerin von Beruf, bot man fünfundfünfzigtausend an. Dundridge verglich diese Summen mit seinem eigenen Einkommen und spürte, wie ihn unversehens der Neid packte. Auf dieser Welt gab es keine Gerechtigkeit, und Dundridge (dessen privater Sozialismus sich in der Maxime »Jedem nach seinen Fähigkeiten, von jedem nach seinen Bedürfnissen« widerspiegelte, wobei das »seinen« sich jeweils auf Dundridge persönlich bezog) bemerkte, wie seine Gedanken in Richtung Geld schweiften. Seine Mutter hatte ihm die Redensart »Heirate nicht reich, geh direkt dorthin, wo das Geld ist« eingeimpft, und da dies leichter gesagt als getan war, blieb Dundridges Sexualleben weitgehend auf seine Vorstellungskraft beschränkt. Don, vor der lästigen Vielschichtigkeit des wirklichen Lebens geschützt, hatte er seinen diversen Leidenschaften gefrönt. In seiner Phantasie war Dundridge nicht nur reich, Dundridge war auch mächtig und Dunridge befand sich im Besitz einer ganzen Kollektion tadelloser Frauen – oder einer Frau, um genau zu sein, einem Mischgeschöpf, bestehend aus einzelnen Stücken real existierender Frauen, die einmal anziehend auf ihn gewirkt hatten, doch ohne deren nachteilige Begleiterscheinungen. Jetzt ging er zum erstenmal dorthin, wo das Geld war. Es war eine bestrickende Aussicht. Er beendete sein Mittagessen und fuhr weiter.
    Während er so dahinfuhr, wurde ihm zunehmend bewußt, daß sich die Landschaft verändert hatte. Er hatte die Autobahn verlassen und befand sich nun auf einer kleineren Straße, die sich durch die Gegend schlängelte. Die Hecken wucherten höher und üppiger. Hügel stiegen empor und fielen ab in leere Täler, die Wälder sahen wilder, weniger kultiviert aus. Selbst den Häusern war der heimelige Einheitslook der Vororte im Norden Londons abhanden gekommen. Entweder waren es große, isolierte, von Parkanlagen umgebene Gebäude, oder von dunklen verrosteten Eisenschuppen und Scheunen umgebene Bauernhäuser aus Stein. Dann und wann kam er durch Dörfer, seltsame Ansammlungen von Landhäusern, Läden und Gebäuden, die unförmig über die Straße ragten oder sich hinter Hecken versteckten und mit exzentrischen Verzierungen überladen waren, die er als störend empfand. Und schließlich gab es auch noch Kirchen. Kirchen konnte Dundridge am allerwenigsten leiden. Sie erinnerten ihn an Tod und Begräbnis, Schuld und Sühne und an das Jenseits. Archaische Erinnerungen an eine abergläubische Vergangenheit. Und da Dundridge entweder für die Gegenwart oder doch zumindest für die unmittelbare Zukunft lebte, fand er diese Mahnmale des Todes kein bißchen reizvoll. Sie ließen schreckliche Zweifel am rationalen Wesen der Existenz aufkommen. Nicht, daß Dundridge an die Vernunft glaubte. Sein volles Vertrauen galt Wissenschaft und Numerierung.
    Wie er nun so gen Norden fuhr, mußte er sich eingestehen, daß er in eine von seinem Ideal weit entfernte Welt vordrang. Sogar der Himmel hatte sich mitsamt der Landschaft verändert: Die Schatten großer Wolken glitten ziellos über Felder und Hügel. Als er endlich South Worfordshire erreichte, war er ausgesprochen beunruhigt. Wenn die Stadt Worford auch nur im entferntesten der sie umgebenden Landschaft glich, mußte es sich um einen Ort des Grauens handeln, in dem es von gewalttätigen, irrationalen, von den eigenartigsten Antrieben gesteuerten Kreaturen nur so wimmelte. Genau so war es. Beim Passieren der Cleene-Brücke schien er aus dem zwanzigsten Jahrhundert in eine frühere Epoche zu geraten. Unterhalb des Stadttors drängten sich die Häuser wie Kraut und Rüben durcheinander, und nur die blankgeschrubbten Stufen wogen ihren verwahrlosten Mangel an Gleichförmigkeit einigermaßen wieder auf. Vor ihm erhob sich das Stadttor, ein großer, stuckverzierter Turm mit dunkler, enger Toreinfahrt. Nervös fuhr er

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