Klex in der Landschaft
Postamt und rief das Haus Handyman an. Es meldete sich Lady Maud, der er erklärte, er würde gern mit Sir Giles einen Termin verabreden. »Sir Giles ist zur Zeit leider nicht im Hause«, sagte sie in einem Tonfall, der auf eine Sekretärin schließen ließ. »Er kommt in Kürze wieder. Wäre Ihnen elf Uhr angenehm?« Dundridge sagte zu. Er verließ das Postamt, schlängelte sich zwischen den Marktständen zum Parkplatz durch und holte seinen Wagen ab.
*
Im Haus Handyman gratulierte sich Lady Maud zu ihrem Auftritt. Einem privaten Plausch mit dem Mann vom Ministerium sah sie recht erwartungsvoll entgegen. Dundridge sei sein Name, hatte er gesagt. Vom Ministerium. Sir Giles harte erwähnt, daß jemand aus London auf Erkundungsmission unterwegs sei. Und da Sir Giles erklärt hatte, er werde erst am späten Nachmittag nach Hause kommen, schien dies die ideale Gelegenheit, Mr. Dundridge jene Informationen zu liefern, die ihr in den Kram paßten. Sie ging nach oben, um sich umzuziehen und sich eine Taktik zurechtzulegen. Lord Leakham hatte sie mittels Frontalangriff einen Strich durch die Rechnung gemacht, aber Dundridge hatte am Telefon gar nicht so selbstsicher geklungen, wie sie erwartete. Unter Umständen war es besser, es mit Überredung zu probieren, vielleicht sogar mit ein wenig Charme. Das brächte etwas Verwirrung in die Chose. Lady Maud entschied sich für ein Baumwollkleid und tupfte sich einen Hauch Lavendelwasser hinter die Ohrläppchen. Sie wollte es bei Mr. Dundridge mit dem Schmeichelverfahren versuchen, mit der Ichhilfloseskleines-Mädchen-Methode. Falls das schiefging, konnte sie immer noch zu härteren Maßnahmen greifen.
*
Im Gewächshaus nahm Klex die Kopfhörer ab und ging wieder zu seinen Saubohnen. Ein Beamter war also unterwegs, um Sir Giles zu sprechen? Ein Beamter. Klex wußte genau, was er von Beamten zu halten hatte. Sie waren für seine elende Jugend verantwortlich, und er hatte keine Zeit für sie. Und doch hatte Lady Maud den hier eingeladen, also wußte sie vermutlich, was sie tat. Es war jammerschade. Wie gern hätte Klex den Befehl erhalten, diesem Dundridge den Empfang zu bereiten, den er verdiente, aber als er gerade überlegte, was für einen Empfang er veranstaltet hätte, betrat Lady Maud den Garten. Klex richtete sich auf und glotzte sie an. Sie trug ein Baumwollkleid und sah – jedenfalls in seinen Augen wunderschön aus. Kein anderer hätte diese Ansicht geteilt, doch Klex’ Schönheitsideal wurde nicht durch irgendwelche Moden beeinflußt. Große Brüste, mächtige Oberschenkel und Hüften waren die Attribute einer guten oder wenigstens akzeptablen Mutter, und da Klex nach seiner Geburt keine gute, akzeptable oder überhaupt irgendeine Mutter gehabt hatte, legte er besonderen Wert auf diese äußeren Anzeichen potentieller Mutterschaft. Wie er nun so zwischen den Saubohnen stand, übermannte ihn plötzlich ein sinnliches Begehren. Lady Maud in einem Baumwollkleid mit Blümchenmuster verkörperte die Verbindung von Botanik und Biologie. Klex glotzte. »Klex«, sagte Lady Maud, die sich ihrer Wirkung auf den Gärtner nicht bewußt war, »ein Mann vom Umweltministerium kommt zum Mittagessen. Ich möchte ein paar Blumen im Haus haben. Ich will einen guten Eindruck auf ihn machen.« Während Klex ins Gewächshaus ging und nach etwas Geeignetem suchte, beugte sich Lady Maud weit vor, um einen Salatkopf für das Mittagessen auszuwählen. Gerade in dem Moment warf Klex einen Blick aus der Gewächshaustür. Es war der Wendepunkt in seinem Leben. Die stumme Ergebenheit gegenüber der Handyman-Familie, für einen so langen Zeitraum die passive Triebfeder seiner ganzen Existenz, war verschwunden und hatte einer aktiv drängenden Empfindung Platz gemacht.
Klex war verliebt.
Kapitel 9
Dundrige verließ Worford durch das Stadttor, überquerte den Fluß und schlug die Straße nach Ottertown ein. Zu seiner Linken schlängelte sich der Cleene durch Wiesen, und zu seiner Rechten stiegen die Cleene-Berge bis zu einem bewaldeten Kamm steil empor. Nach fünf Kilometern bog er an einem Hinweisschild mit der Aufschrift »Guildstead Carbonell« in eine Seitenstraße ein und befand sich damit offenbar in feindlichem Gebiet. Jeder Schuppen trug in weißer Farbe den Slogan »Rettet die Schlucht«, und ähnliche Auffassungen hatte man auch auf den Straßenasphalt gemalt. An einer Buchenallee fanden sich auf den Bäumen Buchstaben, die zusammen den Spruch »Nein zur Autobahn« ergaben, so daß
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