Klex in der Landschaft
Persönlichkeit.
»Es ist wirklich gut zu wissen, daß Sie gekommen sind, um Lord Leakham abzulösen«, meinte Lady Maud, als sie ihn durch einen Flur in den Salon führte.
Dundridge erwiderte, er sei eigentlich nicht als Ablösung gekommen. »Ich bin hier lediglich in beratender Funktion«, sagte er bescheiden. Lady Maud lächelte wissend. »O ja, und was das bedeutet, ist uns schließlich allen klar, nicht wahr?« raunte sie, Dundridge in eine Komplizenschaft einbeziehend, die ihm recht gut gefiel.
Auf dem Sofa lehnte er sich daher entspannt zurück. »Dem Minister liegt sehr am Herzen, daß die geplante Autobahn soweit wie möglich mit den Bedürfnissen der hiesigen Anwohner harmoniert.«
Maud unterdrückte standhaft lächelnd ein Zähnefletschen. Bei der Vorstellung, daß sie eine hiesige Anwohnerin war, kam ihr die Galle hoch; aber sie hatte sich entschlossen, diesen jämmerlichen Beamten bei Laune zu halten und das würde sie auch tun. »Und die Landschaft darf man auch nicht vergessen«, sagte sie. »Schließlich ist der Cleenewald einer der wenigen noch existierenden Urwälder in England. Es wäre doch eine Schande, ihn durch eine Autobahn zu verhunzen, meinen Sie nicht auch?«
Dundridge war ganz und gar nicht dieser Meinung, was er aber wohlweislich für sich behielt, und außerdem konnte er genausogut sofort seine Untertunnelungstheorie ausprobieren.
»Ich glaube, ich habe eine Lösung für dieses Problem gefunden«, sagte er. »Natürlich ist es lediglich eine Idee, nicht wahr, und völlig inoffiziell, aber es müßte möglich sein, durch die Cleene-Berge einen Tunnel zu bauen.« Er hielt inne. Lady Maud gaffte ihn unverwandt an. »Wie ich schon sagte, es handelt sich natürlich nur um eine Idee ...« Lady Maud war aufgestanden, und Dundridge dachte einen entsetzlichen Augenblick lang, sie wolle ihn angreifen. Doch sie neigte sich vor und ergriff seine Hand. »O wie wunderbar«, sagte sie. »Einfach genial. Sie lieber, lieber Mensch«, und dann setzte sie sich neben ihn aufs Sofa und blickte ihm entzückt ins Gesicht. Dundridge errötete und schaute auf seine Schuhe hinunter. Daß verheiratete Frauen seine Hand ergriffen, ihm entzückt ins Gesicht blickten und ihn ›lieber, lieber Mensch‹ nannten, war er nicht gewohnt. »Nicht der Rede wert, nur eine Idee.«
»Eine glänzende Idee«, sagte Lady Maud und hüllte ihn in eine Lavendelwolke. Aus einem Augenwinkel sah Dundridge, wie unter einem Ringelblumenstrauß ihr Busen erbebte. Er drückte sich ins Sofa.
»Natürlich müßte man eine Planungsstudie erstellen ...«, setzte er an, doch Lady Maud tat seine Bemerkung mit einer Handbewegung ab.
»Natürlich müßte man, aber das würde doch eine Weile dauern, nicht wahr?«
»Monate«, sagte Dundridge.
»Monate!«
»Mindestens sechs Monate.«
»Sechs Monate!« Lady Maud ließ seine Hand mit einem Seufzer los und dachte über einen sechs Monate langen Aufschub nach. In einem halben Jahr konnte eine Menge passieren, und das würde es auch, wenn es nach ihr ginge.
Entweder Giles setzte seinen Einfluß für den Tunnel ein, oder sie wußte, woran sie war. Sie würde landesweit die Umweltschützer zur Unterstützung zusammentrommeln. In sechs Monaten konnte sie wahre Wunder vollbringen. Und das alles verdankte sie diesem unscheinbaren kleinen Mann mit seinen Plastikschuhen. Als sie ihn sich jetzt noch einmal ansah, wurde ihr klar, daß sie ihn falsch eingeschätzt hatte. Seine Verletzlichkeit hatte direkt etwas Ansprechendes. »Sie bleiben zum Essen«, sagte sie.
»Nun ... ähem ... ich sollte wirklich ...«
»Natürlich bleiben Sie«, sagte Lady Maud. »Ich bestehe darauf. Und wenn Giles heute nachmittag zurückkommt, können Sie ihm alles über den Tunnel erzählen.« Lady Maud erhob sich, überließ es Dundridge, sich zu wundern, wie es kam, daß sich Sir Giles’ ursprünglich für elf Uhr angekündigte Heimkehr bis zum Nachmittag verzögerte, und rauschte aus dem Zimmer. Durch die Begeisterung, die sein Vortrag hervorgerufen hatte, saß Dundridge da wie vom Donner gerührt. Wenn Sir Giles’ Reaktion so positiv ausfiele wie die seiner Frau, hätte er einige einflußreiche Freunde gewonnen – die obendrein auch noch reich waren. Er fuhr mit seinen Fingern anerkennend über einen Rosenholztisch. So lebt also die andere Hälfte, dachte er, ehe im auffiel, daß dieses Klischee nicht zutraf. Die anderen zwei Prozent. Leute, die zu kennen sich lohnte. *
Als Sir Giles um vier Uhr nachmittags nach
Weitere Kostenlose Bücher