Klingenfieber: Roman (German Edition)
nicht gut, sondern falsch. Ihm gefiel auch sein eigener Geruch nicht. Er musste ihn in ihrem aufgehen lassen.
Er sah die Klingentänzerin vor sich, ein glutroter, heißer Umriss, schwelend vor Vollkommenheit. Und tanzend. Immer tanzend mit der Klinge. Sich windend. In all der Hitze wabernd vor Macht. Sie wollte er. Nichts anderes mehr. Sie .
Er beruhigte sich, indem er begriff, dass es für ihn keine Erlösung mehr gab. Solange er sie nicht haben konnte, ausgiebig, seine Sklavin, dankbar, in Liebe zu ihm aufschauend, ihm dienen wollend mit all ihren Reizen und Gaben, lohnte für ihn überhaupt nichts mehr. Also vergaß er sein Außen, seinen aufbegehrenden Leib, und begab sich in sein Innen. Sein Geist allein immer noch sein williges Instrument.
Sein Geist war kühl und schneidend wie eh und je. Seine eigene Klinge. Das Nachdenken sein Klingentanz.
Er glaubte nicht mehr an die Möglichkeit, dass sie seinetwegen in der Stadt war. Wenn Erenis ihn gewollt hätte, hätte sie nicht zum ihm in die Hochstadt kommen müssen. Sondern sich einfach nur von ihm einholen lassen. Er war viel unkomplizierter zu haben. Das kränkte ihn nicht, denn es war auf seine tadellose Berufsauffassung zurückzuführen.
Das Ziel ihrer Reise war ein anderes. Irgendwo in dieser Stadt gab es jemanden, der sie ihr bisheriges Vorgehen hatte aufgeben lassen. Jemanden oder etwas.
Er schlief nur kurz. Vielleicht sogar nur wenige Momente lang. Schon am Morgen konnte man ihn durch die Straßen eilen sehen, das lange Haar zerzaust, den schwarzen Umhang im Wind flatternd.
Er erkundigte sich. Seine Stichworte waren »Klingentänzerin«, »Schwert«, »starker Gegner«, »Frau in Leder«, »Lederkleidung für Frauen«, »Klinge«, »Schriftzeichen auf Klingen«, »Frauen gegen Männer«, »Männer gegen Frauen«. Fünf rastlose Stunden lang trieb er sich in Schmieden, bei Lederkürschnern und weiblichen Tempelweisen herum, dann wies ihn jemand über die vier Stichworte »Klingentänzerin«, »Schwert«, »Klinge« und »Schriftzeichen auf Klingen« auf die Sammlung von Danroth Gerden hin.
Er stand vor der Vitrine, die Ladigleas ehemaliges Klingentänzerinnenschwert beherbergte. Das Metall schien zu glosen, als der Rittrichter es betrachtete.
Schließlich stand er Danroth Gerden gegenüber.
Eine halbe Stunde später kroch der reiche Sammler auf seinem kostbaren Teppich herum, das Gesicht gerötet von Ohrfeigen, die Augen verquollen von Tränen, und Wenzent Vardrenken wusste alles. Er kannte Erenis’ Reiseziel, er wusste, dass sie mit der Kutsche eines ganz bestimmten Kutschenunternehmens abgereist war, er wusste von Ugon Fahus, der Schule der Klingentänzerinnen, dem Brand, er kannte den Begriff »Blutstaben«, wusste von Neeva, von Hektei und den Festspielen in Brendin Grya und sogar von Ladiglea und ihrem Aufenthaltsort in einem Irrenhaus.
Als er das Empfangszimmer Gerdens verließ, wickelte er sich bereits seinen Umhang um die rechte Faust. Anschließend schlug er damit die Vitrine mit dem Klingentänzerinnenschwert ein.
Das Metall glühte kühl in seiner Faust.
Welch ein herrliches Instrument.
»Ich bin Rittrichter«, sagte er zu den Dienern, die in albernen Waffenröckchen angelaufen kamen. »Ich verfüge über sämtliche Vollmachten. Diese Waffe ist bis auf Weiteres … konfisziert.«
Wie das Licht an ihr entlangspielte. Die unentzifferbaren Schriftzeichen zur Geltung brachte. Worte, die einem direkt vor Augen standen. Die sogar in einen eindringen mochten, ins allertiefste Mysterium hinein – und deren Sinn einem dennoch verborgen blieb.
Diese Waffe war einer Frau gar nicht unähnlich. Er musste hinaus, ins Sonnenlicht, sie dort funkeln lassen.
Er eilte aus dem Palast. Der Himmel war bewölkt, und dennoch hatte das Licht eine ganz andere Kraft als drinnen im Gebäude. Er hielt das Schwert hoch. Höher noch. Reckte sich schier dem Himmel entgegen. Wie Blut. Wie Blut lief es herab. In Spiralen. Als Schmuck. Als Verzierung. Gebinde. Grabverheißung. Mit dieser Klinge, erstmals ebenbürtig, würde er Erenis in die Knie zwingen. Und dann würde sie ihm gehören, ihm ganz allein. Denn wenn er sie niederwarf, konnte sie sich ihm nicht mehr verweigern.
Doch zuerst wollte er die Gelegenheit nutzen, Klingentänzerinnen aus nächster Nähe zu studieren.
Er suchte das Haus auf, dessen Anschrift der weichliche Sammler ihm genannt hatte.
Die Bedienstete – es war dieselbe, die auch schon Erenis und Stenrei zu Ladiglea geführt hatte –
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