Klingenfieber: Roman (German Edition)
angetroffen, aber niemand wagte zu fragen. Niemand glaubte auch nur an den geringsten Sinn dieser ganzen Aktion. Die Männer waren – des Schlafes beraubt – mit ihren Kräften am Ende. Vardrenken konnte deutlich vor sich sehen, wie sie schon die letzte Schicht mit heimlichem Dösen herumgebracht hatten. Ohne ihm das jemals gestehen zu können. Das durchtriebene Pack.
Er hasste. Hasste sie alle. Wollte auch keine fünf von ihnen mehr behalten. Wollte sie dem Hohen Rat in die blasierten Gesichter zurückspeien und dabei etwas ausrufen wie: »Wenn Euch diese armseligen Nichtsnutze zufriedenstellen, bitte schön! Aber für eine Aufgabe wie die meine sind sie ungenügend.« Er lächelte in seinem Hass. Noch konnte er sie ein paar Stunden lang nach Gutdünken herumscheuchen. Aber er wollte schon gar nicht mehr. Er wollte lieber Frauen um sich scharen. Schöne, starke Frauen. Wie Erenis. Mit denen er Erenis jagen und vernichten konnte. Klingentänzerinnen . Davon träumte er nun. Von seinen eigenen Klingentänzerinnen.
»Es ist vorbei, Männer«, sagte er zu den Verfechtern. »Es ist euch nicht gelungen, die Frau, die wir suchen, aufzuspüren. Sie war wohl einfach geschickter als ihr alle. Jetzt brauche ich euch nicht mehr. Geht nach Hause in eure Betten und schlaft. Das immerhin werdet ihr wohl hinbekommen, ohne zu verfehlen.«
Er konnte deutlich spüren, wie die Männer sich spannten. Nach mehreren Wochen voller ergebnisloser Strapazen schmähte er sie derart. Einige von ihnen dachten jetzt wahrscheinlich ernsthaft darüber nach, über ihn herzufallen. Aber sie waren Verfechter der Gesetze. Sie durften sich nicht gegen einen Rittrichter wenden. Also salutierten sie zähneknirschend und gingen davon, nicht »nach Hause«, sondern zur Hohen Halle, wo man sie neu zuteilen und unterbringen würde.
Vardrenken schaute ihnen mit bösem Lächeln hinterher.
Dann ging er selbst »nach Hause«, in jene karge Kammer unterm Dach, die er sich von seinem Rittrichtergehalt leisten konnte. Es roch einsam dort und schimmelig. Frauen wollte er haben, den ganzen Raum voller wogender, flüchtender Frauenleiber. Aber eigentlich doch nur eine einzige. Die in dieser Stadt war, nicht weit von ihm. Und die vielleicht in Leidenschaft zu ihm entbrennen würde, wenn sie erst begriff, mit welcher einzigartigen Entschlossenheit er sie verfolgte. Frauen mochten das. Frauen genossen es, begehrt zu werden. Selbst wenn das Begehren Festsetzung und Schmach bedeutete.
Sie war so nahe. So nahe, dass er sich bei jeder Regung von ihr beobachtet glaubte.
Müde war er keineswegs. Er warf sich aufs Bett, um nachzudenken.
Was wollte sie in der Hochstadt? Ihr Spiel mit dem Ortsstärksten weitertreiben? Wer war der stärkste Mann der Hochstadt? Der Inspizientengeneral wahrscheinlich. Oder dieser eine junge Geck aus dem Adelsrat, der sich jeden Tag stundenlang dem Waffenstudium widmete. Oder ein Kämpfer aus einer der Vergnügungsarenen. Ja, wahrscheinlich war Letzterer der Stärkste. Aber der vom Adelsrat besaß viel mehr Ansehen und hinterließ eine schmerzhaftere Lücke. Und was, wenn ein Durchreisender der Stärkste war? Ein Stärkster nur auf Zeit?
All das ergab keinen Sinn. Sie konnte hier in diesem Stadtungetüm hundert Herausforderungen aussprechen, und immer wieder würden neue Gegner aus der Masse treten und sich ihr entgegenstellen. Aber wie lange konnte sie das treiben, bis die Inspizienten oder die Verfechter ihrer habhaft wurden? Lediglich zweimal? Höchstens viermal?
Nein, sie musste ein anderes Ziel verfolgen als in den Dörfern. Ein einmaliges Ziel. Das es nur in der Hochstadt gab. Sonst hätte sie sich ja auch zuerst in den Niederstädten versuchen können, aber die hatte sie tunlichst umgangen.
Womöglich hatte sie auf ihrer Reise von einem ganz bestimmten Gegner gehört, der hier lebte. Aber wer konnte das sein?
Gleißend durchfuhr ihn der Gedanke, dass er selbst es sein konnte. Dass sie sich über ihn erkundigt hatte. Seinen Namen hatte er ihr gegenüber ja oft genug genannt, mehrmals bereits, als er sie in der Hütte belagert hatte. Und nun belagerte sie hier ihn , vielleicht unten auf der Straße vor dem Fenster, vielleicht schlich sie schon jetzt über den Flur an ihn heran.
Dieser Gedanke, dass er selbst das Ziel ihrer Reise sein mochte, erregte ihn so sehr, dass er sich unbedingt Erleichterung verschaffen musste. Aber alleine konnte er das nicht. Er selbst fühlte sich so rau an, so enttäuschend. So minderwertig. Das war
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