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Klingenfieber: Roman (German Edition)

Klingenfieber: Roman (German Edition)

Titel: Klingenfieber: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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draußen unleidlich nebenher, als fürchtete sie in der überdeutlichen Nähe der anderen und Vornehmeren den Erstickungstod. Was vielleicht nicht einmal übertrieben war, denn innen roch es – obwohl die Fenster bei der Hitze ständig offen gelassen wurden – drückend nach dem bleischweren Parfum der drei vornehmen Damen, dem süßen, beinahe aggressiven Duftwasser der Dirne, der kränklichen Ausdünstung der Tempelschwester, Erenis’ Leder, dem ältlichen Achselschweiß des Grafen und dem an Essig erinnernden Aufstoßen des Weinhändlers.
    Die schlechte Luft im Inneren war jedoch nicht alles, was während der langwierigen und eintönigen Reisetage für Missmut sorgte. Es gab auch deutlich zu spürende Spannungen zwischen den Passagieren.
    Die drei vornehmen Ehepaare hielten zusammen, kannten sich von gelegentlichen Empfängen und gönnten sich nicht zum ersten Mal das Vergnügen, den vielfältigen Veranstaltungen von Brendin Grya zuzuschauen. Die Tempelschwester wurde von ihnen lediglich beargwöhnt, weil ihnen ihr pausenloses Gebete möglicherweise so etwas Ähnliches wie ein schlechtes Gewissen bereitete. Überhaupt war ihnen nicht klar, was die Schwester bei den Festspielen wollte, wahrscheinlich für Gefallene um Heil ersuchen, Verwundeten Trost spenden und Ähnliches, das keinen zählbaren Nutzen brachte, keinen Gewinn, und in jedem Fall zu spät kam. Jedenfalls sah sie selbst am allermeisten so aus, als ob sie Trost dringend nötig hätte.
    Auf die Dirne jedoch wurde einfach nur herabgesehen. Die feinen Damen empfanden es als Zumutung, mit einer solchen Person die Kutsche teilen zu müssen, die feinen Herren jedoch ließen immer wieder verstohlene Blicke über den üppigen Körper und zwischen die Rockfalten des Mädchens schweifen, das keinen Namen hatte, weil es aus für ihr Gewerbe ganz außergewöhnlicher Schamhaftigkeit keinen hatte nennen wollen.
    Auch Erenis eckte an, vor allem, weil ihr großes Schwert als »unnötig«, »sperrig« und sogar als »Provokation« empfunden wurde und überhaupt eine Frau in engem Leder ebenfalls etwas Dirnenhaftes an sich hatte, das dann wiederum durch ihre Bewaffnetenattitüde zusätzlich ins »Unmögliche« tendierte. Sie selbst schaute hinaus auf die Dörfer, die draußen vorbeizogen, und dachte darüber nach, wie viele Männer es in ihnen geben mochte, die glaubten, sie besiegen zu können. Diese Dörfer waren in der letzten Zeit ihr Leben gewesen, ihr Inhalt, bevor sie Uleandra begegnet war und von den Überlebenden erfahren hatte. Jetzt wischten all diese gleichförmigen Ansammlungen von Mörtel und Elend an ihr vorüber und wirkten dadurch umso mehr wie etwas, das der ganzen Mühe eigentlich nicht wert war.
    Und Stenrei? Graf Debrevi hätte jeden Eid geschworen, dass der Bursche noch zu jung für das Tragen eines Schwertes war. Und die Gattinnen Loso und Carelamadon maßen dem Verhältnis der unanständig gewandeten Schwertfrau zu »ihrem ländlichen Knaben« etwas durch und durch Unsittliches und »Gewöhnliches« bei. Stenrei selbst allerdings fühlte sich ausgesprochen wohl. In so einer Kutsche zu reisen, unter so vielen hochrangigen Persönlichkeiten fast als ein Gleichgestellter, erschien ihm als sehr luxuriös. Und dass er das alles erleben konnte, weil Erenis ihn weiterhin als Begleiter haben wollte, als einziges männliches Wesen überhaupt in ihrem Leben, das von ihr nicht umgehend einen Kopf kürzer gemacht wurde – das erfüllte ihn mit Stolz und Zuversicht. Weiterhin übte er jeden Tag, wenn die Station erreicht war, außerhalb der Gebäude mit seinem Schwert und bildete sich zumindest ein, immer besser damit umgehen zu können.
    Nichtsdestotrotz herrschte auch unabhängig von der tatsächlichen Atembarkeit beständig dicke Luft zwischen den Passagieren. Alle beargwöhnten einander, die Frauen ihre lüstern schielenden Männer, die Männer ihre allzu gestrengen Frauen und sich untereinander als Rivalen. Die beiden angeheuerten Fernwaffenträger, die sich unverschämt gegenüber der Dirne und ungehobelt gegenüber den Herrschaften betrugen, sorgten während der Stationsaufenthalte für zusätzliche Stimmungsverschlechterung, auch, weil sie hinter jedem Strauch, jeder Wegbiegung, jedem ausgefransten Felsen und sogar hinter jeder Tür jedes Stationsgebäudes Gefahren vermuteten. Sie misstrauten besonders Erenis, sahen in ihr eine mögliche Kutschenräuberin, die sich mitsamt ihres jungen Kumpans eingeschlichen hatte, um auf eine günstige

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