Klingenfieber: Roman (German Edition)
Zuschauen, würde sie auffallen. Aber solange sich die Sonderbüttel noch nicht sicher sein konnten, würden sie gewiss nicht schießen.
Sie bewegte sich durch die Reihen. Kam Hektei dadurch näher. Sie war es, kein Zweifel. Erenis’ Herz schlug bis zum Hals. Es war noch gar nicht so lange her, da hatte sie all ihre Schwestern für tot gehalten. Es war wie ein Märchen, sie lebend zu sehen. Wie verändert auch immer sie sein mochten. Sie lebten noch.
Der Sonderbüttel sah sie jetzt, achtete auf sie. Erenis ging breitbeinig, den Kopf vorgestreckt, die Schultern unvorteilhaft hochgezogen. Keine Frau würde jemals so gehen. Der Blick des Sonderbüttels schweifte weiter.
Jetzt aber ging auch Hektei. Sie hatte genug von dem Geschehen im Sand. Hatte es genauso wie Erenis als Unfug verworfen. Sie sprach mit niemandem, sondern strebte dem Ausgang entgegen. Sie würde vor Erenis dort ankommen. Erenis musste sich an einer jubelnden Reisegruppe vorüberdrängen, die sogar kleine Fähnchen schwenkte. Eine dieser Fahnen klatschte Erenis ins Gesicht, gegen das bandagierte Auge. Sie fasste unwillkürlich nach dem Schwertgriff. Nicht aufhalten lassen. Weiter. Wenn Hektei vor ihr die Quartiere erreichte, würde sie ihr wieder nicht dorthin folgen können.
Hektei gelangte zum Ausgang. Unten im Sand herrschten Gebrüll und das Klackern von Holz. Die Zuschauer rasten vor Begeisterung. Aber Hektei war ganz allein, sprach mit niemandem, verabschiedete sich nicht, verlangsamte keineswegs. Sie war ein Fremdkörper in Brendin Grya, gekommen einzig, um sich im Blutspiel auf ein Neues zu behaupten.
Erenis verlor in den Zuschauerreihen Zeit, der Abstand vergrößerte sich, doch ruppig setzte sie sich durch und blieb einigermaßen dran.
Dann geschah etwas Unerwartetes.
Der Rittrichtermann neben dem Ausgang verließ seine Position und folgte Hektei.
Der, der weiter oben gesessen hatte, ebenfalls. Dieser beeilte sich sogar, zu dem anderen aufzuschließen.
Niemand beachtete Erenis.
Die Sonderbüttel waren wegen Hektei hier.
Jetzt begriff Erenis. Natürlich! Der Rittrichter wusste von Hektei und ihrer Beziehung zu Erenis. Und statt in diesem Menschengewühl umständlich nach einer womöglich getarnten Erenis zu suchen, hielt er sich an Hektei, weil sie der Grund für Erenis’ Hiersein war, und weil Erenis früher oder später mit Hektei in Kontakt treten würde.
Danroth Gerden. Er musste geredet haben. Erenis konnte das dem Sammler nicht einmal verübeln. Der Rittrichter besaß Autorität. Wer von ihm befragt wurde, tat gut daran zu antworten. Und Gerden hatte keinen Grund gehabt, für sie seinen Kopf hinzuhalten. Im Gegenteil. Wenn der Rittrichter sie zur Strecke brachte, würde Gerden ihr Schwert bekommen.
Auf Erenis’ Züge malte sich ganz unwillkürlich ein finsteres Lächeln bei diesem Gedanken. Dennoch glaubte sie nicht, dass Gerden sie hinterlistig verraten hatte. Die Gefahr, dass der Rittrichter sich das Schwert trotz des von ihr geführten Eignertestaments kraft seiner Vollzugsmacht einfach unter den Nagel reißen würde, war viel zu groß. Wenn Erenis bei einem ihrer Dorfkämpfe unterlag, bekam Gerden mit deutlich größerer Wahrscheinlichkeit die Waffe. Nein, er hatte die Informationen nur preisgegeben, weil er unter Druck gesetzt worden war.
Sie verscheuchte all dieses Grübeln. Was scherten sie der reiche Mann und seine Beweggründe? Die Situation jetzt war weitaus bedeutsamer. Erenis zerlegte das Geschehen in seine Einzelteile.
Hektei hatte den Eingangsbereich des Ovals verlassen und schlug den Weg zu den Quartieren ein. Die waren ganz in der Nähe, das hatte Erenis schon zur Genüge herausgefunden.
Jeder Schritt, den Hektei machte, verringerte die Möglichkeiten, die Erenis hatte, an sie heranzukommen.
Die zwei Schergen, die Hektei auf der Spur blieben, stellten sich geschickt genug an, um von dieser nicht bemerkt zu werden. Sie hielten Abstand und schlenderten wie Spaziergänger.
Waren die anderen drei und der Rittrichter ebenfalls in der Nähe?
Wie wahrscheinlich war es, dass diese sechs Männer sich abwechselten beim Überwachen Hekteis? Schließlich mussten sie irgendwann ausruhen.
Aber was war, wenn der Rittrichter sich noch zusätzliche Unterstützung durch die hiesigen Inspizienten geholt hatte? Oder wenn die Quartiere bei Nacht ganz einfach zu überwachen waren, durch einen Quartiersmeister zum Beispiel, sodass alle sechs Verfolger Erenis’ jetzt zur Tageszeit im Einsatz waren, also nun hier, in der
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