Klingenfieber: Roman (German Edition)
der beiden, das würde schon genügen. Doch sie machten keine Fehler. Sie waren hervorragend ausgebildet worden. Sicherlich nicht so gut wie Erenis, aber wenn es auch nur ein wenig mehr als halb so gut gewesen war, konnten sie das jetzt dank ihrer Überzahl in einen sicheren Sieg verwandeln.
Erenis ächzte. So laute Geräusche entrangen sich ihr selten.
Sie sah keinen Ausweg mehr.
Selbst wenn ihr ein verzweifelter Durchbruch gelingen würde – im Hintergrund stand immer noch der Dritte mit seiner jetzt sicherlich bereits durchgeladenen Armbrust. Er würde sie nicht verfehlen und sie wohl kaum ein zweites Mal das Kunststück fertigbringen, einen Bolzen abzuwehren.
Dann, knisternd fast wie in einem Albtraum, kam auch noch diese Stimme, triefend vor Siegesgewissheit: »Gib auf, Erenis! Du kannst uns nicht bezwingen. Auf frischer Tat haben wir dich ertappt. Du hast Verfechter umgebracht. Dafür wirst du dich zu verantworten haben.«
Der Rittrichter. Er kam von Richtung der Straße. Und auch er hielt eine gespannte Armbrust in der Hand.
Es war vorüber.
Erenis parierte nur noch aus Trotz. Weil ihre Gegner alles Männer waren und sie vor Männern, auch wenn es Tausende waren, nicht klein beigeben wollte. Sie wollte nicht in Fesseln geschlagen vor irgendein aus Männern bestehendes Gericht gezerrt werden. Dann schon lieber zwei Klingen im Leib, hier und jetzt und nicht mehr zurückzunehmen.
Ganz weit im Hintergrund hörte sie den Begeisterungsschrei der Schaulustigen aus dem Oval. Etwas ganz Wunderbares musste sich dort ereignet haben.
Dann sah sie aus den Augenwinkeln, dass der Rittrichter nicht alleine in die Gasse trat.
Jemand folgte ihm.
Helm. Klingen an einem Keulenkopf. Schwarze Lippen, schwarzer Blick.
Hektei. Hektei hatte sich ihren Kampfhelm aufgesetzt.
»Hektei! Hilf mir!«
Das war das erste Mal in ihrem Leben, dass Erenis jemanden um Hilfe bat. Aber es waren Männer, verflucht, alle Gegner waren Männer, und sie beide, Schwestern, konnten es schaffen, gemeinsam, oder nicht? Oder nicht? Hektei?
»Oh, mischt Euch bitte nicht ein, Verehrteste«, versuchte der Rittrichter zu mäßigen. »Gegen Euch liegt nichts vor. Ihr seid eine registrierte Teilnehmerin der Festspiele. Diese Frau jedoch hat in vielen Dörfern Verbrechen begangen, sich mehrmals der Macht meines Amtes widersetzt und gerade eben vor Zeugen Verfechter des Adelsrats ermordet, noch dazu schnöde und feige von hinten. Ihr werdet doch wohl nicht den Fehler begehen wollen, aufgrund einer dermaßen unmöglichen Person Schwierigkeiten mit dem Gesetz zu bekommen?«
Die Klingen der beiden Verfechter beschrieben ein X, als sie auf Erenis eindrangen. Sie parierte sie beide, konzentrierte sich nun auf nichts anderes mehr als auf diese beiden Metalllichter, die es abzuwehren galt. Sie waren ähnlich wie auf sie abgeschossene Bolzen. Es war möglich, sie ewig abzulenken, solange kein dritter hinzukam. Nur ein Gegenangriff war einfach nicht unterzubringen. Bei Dörflern wäre es machbar gewesen. Aber nicht bei diesen.
Ein verrückter Gedanke durchfuhr Erenis: Irgendwann, in etlichen Stunden, würde es dunkel werden. Und morgen dann wieder hell.
»Lasst das sein«, hörte sie weiterhin die Stimme des Rittrichters, die höher geworden war, plötzlich ganz anders klang. »Ihr zwingt mich wirklich zu Maßnahmen, die … Ihr seid Euch offensichtlich nicht im Klaren darüber, dass …«
Ein Bolzen klackte.
Hektei stieß ein Knurren aus.
Der Rittrichter schrie: »Schieß auf sie , sie will mir was antun! «
»Nein!«, ächzte Erenis, während sie mit einer Kreisbewegung ihres Schwerters beide Gegnerklingen umzurühren versuchte.
Ein zweites Klacken, diesmal aus Richtung des anderen Schützen.
Erenis spürte keinen Einschlag. Nichts. Weiterhin hatte sie es nur mit zwei Kerlen zu tun, deren Gesichter für sie langsam die unerbittliche In-Stein-Gemeißeltheit von Ugon Fahus annahmen.
Hektei fegte den Rittrichter beiseite wie ein in Ungnade gefallenes Spielzeug. Er stürzte, dann begann er zu schreien, den Mund im Sand der Gasse, der linke Arm ein verdrehter, unbrauchbarer Auswuchs. Daneben lag ein Blutstabenschwert. Hekteis? Aber Hektei hatte ihrs doch längst zerbrochen …
Hektei näherte sich Erenis’ Kampf, noch immer knurrend.
Der linke von Erenis’ Gegnern begann die Konzentration zu verlieren, weil er bemerkte, dass sich von hinten etwas Neues, Knurrendes an ihn heranbewegte. Er war versiert genug, keinen Fehler zu machen, während er
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