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Klingenfieber: Roman (German Edition)

Klingenfieber: Roman (German Edition)

Titel: Klingenfieber: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Körpern, sein Stab war weg, ein anderer hatte nun zwei und lachte, obwohl niemand zwei Stäbe handhaben konnte. Beinahe sanft setzte die Welle Stenrei ab in den Sand, der feucht war von Speichel und Schweiß und Harn, und dann gischtete sie über ihn hinweg, löste sich halb auf zu ebenfalls Gefallenen, blieb aber auch halb aus trampelnden Beinen bestehen, die vorübertobten wie eine durchgehende Rinderherde, um dann woanders weiterzulärmen und diese schreckliche Runde des Volkes unter sich auszutragen.
    Jemand half ihm auf die Beine.
    Mehr als ein Dutzend Gelbgekleidete waren damit beschäftigt, die Opfer der Welle aufzulesen und aus dem Oval zu führen. Stenrei hörte so etwas wie Applaus, aber er hörte es nur auf einer Seite seines Kopfes. Teile der Zuschauer, die seinem Standort nahe waren, beklatschten diejenigen, die aus eigener Kraft gehen konnten. Es gab auch etliche, die auf Tragen weggeschleppt werden mussten.
    Stenrei suchte Yunia, doch sie war nirgends zu sehen. War sie immer noch Teil der Welle?
    Das Oval sah seltsam aus. So, als würden die nahe und die ferne Kurve sich beständig gegeneinander vertauschen, oder als würde alles pulsieren, die ganze Welt ein pochendes Herz.
    Nein, dort, auf einer der Tragen! Yunias Unterarm, quer über ihrem Gesicht!
    Er erschrak bis ins Mark, wollte dort hinrennen und schauen, ob sie wenigstens noch am Leben war, aber unterwegs versagten ihm die Beine. Etwas stimmte ganz tief reichend nicht mit seinem Ohr, seinem Kopf, seiner Schulter, er schien nur noch aus einer Hälfte zu bestehen. Und alles pulsierte durch ihn hindurch und verließ ihn.
    Gelbe fingen ihn und legten ihn auf eine der Tragen.
    Mit verdrehten Augen sah er Erenis, die vertausendfacht sämtliche Zuschauer bildete.
    Sie klatschte nicht mehr, sondern verachtete ihn dafür, verloren zu haben.
    Ihr wäre das natürlich nicht passiert.
    Sie hätte sich zu wehren gewusst.
    Erenis saß – schon bevor das Kampfgetümmel begonnen hatte – zwischen all den Menschen auf den Rängen und wunderte sich über das Treiben dort unten im Sand.
    Wie konnte sich jemand nur freiwillig diesem Unfug aussetzen? Es würde ein so unbeherrschbares Durcheinander werden, überall würden sich Aufschaukelungen und Zusammenballungen bilden, in denen der Einzelne nicht mehr die geringste Chance hatte. Es war einfach viel zu überfüllt. Und darüber hinaus musste man immer noch darauf achtgeben, die anderen nicht ernstlich zu verletzen. Gerade dies erschien ihr als besondere Erschwernis. Ein Kampf auf Leben und Tod war viel einfacher, viel klarer. In diesem Gewühle dort unten würden am Schluss einfach nur diejenigen zehn noch stehen, die das meiste Glück gehabt hatten. Mit Können hatte das alles überhaupt nichts zu tun. Der beste Stabfechter sämtlicher Länder würde untergehen, zerstampft von einer kopflosen Horde, und ein weinendes Kind würde übrig bleiben, weil alle mit ihm Mitleid hatten.
    Sie saß dort, angetan mit einem hellen Kaftan, wie man ihn in der Wüste trug und wie ihn mindestens einhundert andere Zuschauer dieser Runde des Volkes ebenfalls trugen. Die Haare hatte sie mit hellen Bändern umwunden und mit einer Kapuze überdeckt, welche tiefe Schatten über ihr Gesicht lenkte, ein anderes Band überspannte ihr rechtes Auge, ein weiteres wie ein hochgeschlagener Schal ihr Kinn und ihre Mundpartie. Aus mehr als zehn Schritten Entfernung musste sie aussehen wie ein verwegener, einäugiger Kerl, denn bei den Wüstenvölkern trugen nur Männer eine solche Kluft, die Frauen waren ganz anders gekleidet, tailliert und mit verschleierten Gesichtern. Sie bewegte sich auch wie ein Mann, mit rollenden Schultern gehend, die Hüften steif, und nun breitbeinig sitzend. Das Schwert hatte sie am Eingang nicht abgeben müssen, nur die Teilnehmer durften nicht anders als mit Holzstäben bewaffnet sein, und so hatte sie alles bei sich, was sie brauchte, wohlverborgen unter ihrem weiten Gewand.
    Schon bevor die Fanfare den Kampf eröffnete, hatte sie Ausschau gehalten nach zweierlei. Nach Hektei unter den Zuschauern, denn es war durchaus möglich, dass diese sich aus reiner Neugier ein solches Spektakel nicht entgehen ließ. Und nach Stenrei dort unten unter den Hoffnungslosen und Verzweifelten.
    Es war nicht einfach gewesen, den Jungen zu finden. Es herrschte ein zu großes Gedränge im Sandbecken, und immer noch suchten einige ihre letztendlichen Positionen im Gemenge, wollten sich verbessern oder sich einfach nur nicht

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