Klingenfieber: Roman (German Edition)
Nähe, verborgen, die Fernwaffen im Anschlag?
Es missfiel ihr, dermaßen strategisch vorgehen zu müssen. Sie war so nicht. Sie wollte in einen Ort hinein, dort die Konfrontation suchen und dann wieder raus.
Selbst der Junge hatte in Brendin Grya bereits seine Konfrontation gefunden.
Nur sie, die Klingentänzerin, zögerte noch immer.
Es waren nicht viele Passanten unterwegs. Mehr Passanten reduzierten die Wahrscheinlichkeit, dass die Rittrichtersleute viel schossen. Sie konnten nicht einfach Unbescholtene töten. Aber es gab eben kaum noch Menschen in Brendin Grya, die jetzt nicht im Inneren des Ovals waren.
Andererseits erhöhte die Tatsache, dass mehr Platz war, Erenis’ Bewegungsspielraum.
Sie beschloss zu handeln.
Immerhin wandten ihr zwei der Schergen gerade den Rücken zu. Wenn sie diese Karten gut ausspielte, hatte sie es im Folgenden nur noch mit vier statt sechs Gegnern zu tun.
Sie begann zu laufen. Nicht direkt auf den hinteren der beiden Schergen zu, sondern so, als wollte sie an ihm vorbei. Sie lief wie ein Mann. Das Gesicht geduckt in die Schatten ihres Kopftuches.
Der Scherge wandte sich um, weil er sie nahen hörte oder spürte. Aber er sah, dass sie nicht auf ihn zulief, und dachte sich nichts weiter dabei.
Sein Gesicht war beinahe schläfrig.
Er wandte sich wieder ab, nach vorne, der Frau zu, die nicht aus den Augen zu lassen man ihm aufgetragen hatte.
Erenis kam bis auf gleiche Höhe heran, machte zwei Seitwärtssprünge, zog dabei mit einer fließenden Bewegung ihr Schwert aus dem Kaftan und trennte dem Mann die gesamte Vorderseite des Halses auf.
Während er begann, sich gurgelnd im Kreis zu drehen, sprang sie auf den zweiten zu, noch schneller jetzt, noch auffälliger, aber in einer seltsamen Zickzackbewegung, die verrückt anmuten musste, jedoch vollkommen ihren Zweck erfüllte. Es klackte auf einem der Hausdächer und ein Bolzen schlug in den Boden, knapp hinter Erenis’ Ferse.
Auf den weißen Dächern.
Sie benutzten hier, wo die Stadt noch aus Lehm bestand und nicht aus Zelten, die Dächer, um Überblick zu behalten und um sich fortbewegen zu können. Die Türme hätten ihnen keine Möglichkeit gegeben, ihre Position zu verändern.
Der zweite Scherge wandte sich um. Er war sehr schnell, hatte sein Schwert bereits in der Hand. Erenis fintierte deshalb, lockte seine aus der Drehung heraus vollführte Parade ins Leere und rammte ihm ihr Schwert durch eine Lücke tief in den Leib. Dabei drehte sie sich, drehte sich mit dem Mann am Schwert, als würde sie eine Säule an einem Hebel drehen. Deshalb traf ein zweiter Bolzen den Mann und half ihm beim Sterben. Erenis löste sich.
Zwei der Schergen sprangen von den Dächern, die nicht hoch waren. Mindestens ein weiterer legte wahrscheinlich gerade mit dem Bolzen auf sie an.
Die beiden Springenden sahen sehr geübt aus. Wie sie landeten, sich abrollten, kein Ziel boten. Das waren wirklich keine gewöhnlichen Büttel oder Inspizienten. Diese waren besonders ausgebildet worden.
Erenis wandte sich ab und rannte auf Hektei zu, den Schützen ihren Rücken bietend, aber es ging nun nicht anders. Sie musste Hektei zumindest wissen lassen, wer sie war.
Natürlich konnte sie jetzt auch einfach versuchen, in den Gassen abzutauchen. Zwei Gegner ausgeschaltet zu haben war ja schon ein Teilerfolg. Aber wozu das Ganze, wenn nicht, um an Hektei heranzukommen?
Hektei war stehen geblieben, hatte das Gefecht in ihrem Rücken bemerkt. Ihre schwarzen Mundwinkel waren geringschätzig nach unten verzogen. Sie lockerte eine eigenartige Waffe aus ihrem Gurt, die wie eine Keule mit ausladend aus dem Keulenkopf hervorsprießenden Klingen aussah.
Sie hielt die auf sie zurennende Erenis sicherlich für einen Wüstenräuber.
Erenis richtete sieben Worte an Hektei: »Hektei, meine Schwester! Ich bin es, Erenis!«
Hektei reagierte erst überhaupt nicht auf diese Worte, so, als wären sie in einer ihr fremden Sprache geäußert worden. Dann ging eine erstaunliche Veränderung mit ihr vor. Ihr bleiches Gesicht wurde noch bleicher. Die schwarzen Lippen beinahe grau. Und sie wich vor Erenis zurück. Wich zurück, als hätte sie einen Geist vor sich.
»Unmöglich«, hauchte sie mit brüchiger Stimme.
Erenis hätte jetzt gerne geredet, erklärt, aber es ging nicht. Jeden Moment konnten zwei Armbruste klacken und zwei Bolzen ihren Rücken durchschlagen. Auch die zwei, die auf die Straße gesprungen waren, näherten sich, mit den Bewegungen von Hetzhunden, die
Weitere Kostenlose Bücher