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Klingenfieber: Roman (German Edition)

Klingenfieber: Roman (German Edition)

Titel: Klingenfieber: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Bolzen ihr das linke Ohr abgerissen hatte, denn so schlimm fühlte es sich an.
    Neeva. Ihre größte Rivalin schaute ihr zu. Wie sie Kindertricks anwandte und zögerte, wo es unabdingbar war, schnell zu handeln.
    Verflucht!
    Sie rammte dem hin und her Gestoßenen ihr Schwert durchs Kreuz. Das war unehrenhaft und hässlich, aber sie stand alleine gegen eine Übermacht. Neeva würde ihr nicht helfen. Hektei war beim Helfen gestorben.
    Verflucht!
    Der hin und her Gestoßene, der ihr so lange ein ebenbürtiger Gegner gewesen war, sackte ein, immer noch nicht tot, zu zäh selbst für solch einen Treffer. Aber der andere stand nun frei. Und er, der vorher während des ganzen Gassenkampfes immer nur den Schützen verkörperte, hatte nun endlich seine Schusswaffe fallen gelassen und zog sein Schwert. In seinem Gesicht stand Zuversicht zu lesen, denn Erenis blutete aus mehreren Wunden, auch seitlich am Kopf, und er selbst war noch vollkommen frisch.
    Er traf sie mit seinem Schwert, irgendwo im Bereich der Hüfte, aber er selbst war dafür verantwortlich, dass sie davon nichts mitbekam, denn ihr Kopf dröhnte immer noch so von seinem Bolzenstreifschuss, dass ihr Körper gar keine anderen Beschwerden mehr zuließ.
    Ihr Bewusstsein war wie eine ganz dünne, zerbrechliche Scheibe, Eis vielleicht sogar, und dahinter waberte eine Ohnmacht, die – weil mitten im Kampf – Endgültigkeit bedeutete.
    Erenis absolvierte jetzt nur noch Routinen. Bewegungsabfolgen, die ihr von klein auf unter Schlägen und Demütigungen eingepflanzt worden waren. Daneben ein paar Varianten, die sie einem der Dörfler abgeschaut hatte, dessen Name ihr gerade entfallen war. Sie schlug und atmete, wehrte ab und atmete, der Gegner, vormals Schütze, glich ihrem vorherigen Gegner wie ein Ei dem anderen, die beiden waren zusammen ausgebildet worden, und kein Kriegslehrer hatte – wie bei den Klingentänzerinnen – darauf geachtet, dass sich Unterschiede zwischen ihnen herausbildeten, Abweichungen, die es einem Gegner unmöglich machen würden, aus der einen auf die nächste zu schließen. Ugon Fahus hatte einfach an alles gedacht.
    Einmal versuchte der am Boden Liegende, immer noch nicht Tote sie am Bein zu fassen und sie damit zu behindern, aber sie fand sogar noch Zeit, ihm zwischendrin mit einem Abwärtsstoß die letzte Gnade zu erteilen und dann das Gefecht wieder fortzuführen, ohne etwas versäumt zu haben. »Es ist wie Häkeln«, hatte in der Schule eine ihrer Schwestern im Scherz einmal gesagt. »Du nimmst auf und lässt fallen, zählst ab und machst Muster, und wenn du kurz wohin musst, kannst du hinterher alles wieder dort aufnehmen, wo du es hingelegt hast.« Diese Schwester war ein Raub der Flammen geworden, durch Erenis’ Schuld. Aber auch durch Ugon Fahus’ Schuld. Und durch die Schuld des alten, widerlichen Mannes, der sie so sehr angefasst hatte.
    Die Ohnmacht hinter der dünnen Scheibe war diese Schuld der anderen, dieses wühlende Drängen, und die Scheibe wölbte sich bereits und bekam Risse.
    Sie musste ein Ende machen. Es war einfach keine Zeit mehr für weitere Handarbeiten.
    Fahrig, mit einer Bewegung, die von niemandem auf der Welt hätte vorhergesehen werden können, auch von ihr selbst nicht, rammte sie dem letzten Schergen das Schwert in den Hals und riss es abwärts, trennte ihn auf, hängte sich daran, verlor das Bewusstsein, brach über ihm zusammen, fast in ihm, denn sein Blut klatschte ihr entgegen wie ein indiskreter Blumenstrauß.
    Sie versank in diesen Blumen. Der Geruch geöffneter Leiber war ihr vertraut und beruhigte sie wie der Duft von warmer Milch ein müdes Kind.
    Wahrscheinlich wäre sie dort liegen geblieben, in ihrem aus Fleisch selbst bereiteten Bett, aber jemand zerrte sie hoch und ohrfeigte sie, bis sie wieder zu sich kam.
    Ilehu Wiftin. Jetzt wusste sie diesen Namen wieder. Aber es war nicht er, der sie ohrfeigte. Er war lange tot, und eigentlich konnte sie seinen Namen wirklich für immer vergessen.
    Es war Neeva.
    Neevas Atem war so nahe, dass sie Reste von Reis in ihm riechen konnte.
    »Was für ein erbärmliches Schauspiel. Du bist für den Tod aller unserer Schwestern verantwortlich, du hast sie alle, unsere Zukunft und unsere Träume, in Rauch aufgehen lassen, und jetzt hast du es auch noch fertiggebracht, Hektei für dich zu opfern. Es ist wirklich höchste Zeit, dass ich dein schmachvolles Dasein beende. Aber du bist verwundet und in jämmerlicher Verfassung. Es wäre weit unter meiner Würde,

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