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Klingenfieber: Roman (German Edition)

Klingenfieber: Roman (German Edition)

Titel: Klingenfieber: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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saß er da und schuftete und mühte sich. Er hörte Stimmen, überall hörte er Stimmen, bald würden die Schaulustigen kommen und ihm Erenis wegnehmen, sie würden sie wahrscheinlich für sich selbst haben wollen, für Brendin Gryas unsägliche Festspiele, aber das würde er zu verhindern wissen, er würde jeden niederstrecken, der sich zwischen ihn und seine Beute schob.
    Endlich war die Waffe geladen. Jetzt konnte er triumphieren!
    Doch als er sich umblickte, war von Erenis nichts mehr zu sehen. Überall Leichname in der Gasse, drei seiner Männer und die andere , aber keine Erenis mehr. Fiepend zielte er auf alles, jedes Fenster, jede Tür, jede Wassertonne vor der Wand. Irgendwohin musste sie doch gegangen sein!
    Die Stimmen kamen näher. Menschen. Murmelten. Tuschelten über ihn.
    Er zielte auf die Stimmen.
    Dann, ganz spontan, winkelte er die Armbrust so an, dass die Bolzenspitze in seinen eigenen Mund zeigte. Er drückte ab, es klackte, aber da war der nicht arretierbare Bolzen schon längst wieder aus der Führung geplumpst. Der Ruck der ausgelösten Spannung sorgte immerhin dafür, dass das Holz des Rahmens ihm schmerzhaft gegen die Vorderzähne knallte und seine Unterlippe aufplatzte.
    Vorbei.
    Er machte ein Geräusch, das die Menschen Brendin Gryas allenfalls aus dem Oval kannten, wenn dort Blutspiele stattfanden: ein lallendes Wehklagen, fast ein Plärren, durchsetzt aber auch mit unverständlichen Worten der Scham und der Rechtfertigung.
    Da das heutige Ovalspektakel vorüber war, umringte man ihn. Man hatte bereits zwei Tote auf der Hauptstraße liegend gefunden.
    In der Menge befanden sich auch der Baumwollhändler Carelamadon und seine junge, hübsche Frau. Diese war es, die den Mann mit dem zerstörten Arm als einen Rittrichter identifizieren konnte.
    Man kümmerte sich um ihn. Trug ihn weg vom Ort der Toten.
    Bei der Rekonstruktion des Geschehens war er keine Hilfe, denn man musste ihn ruhigstellen, weil er tobte und die ganze Zeit vom Berg der Masken phantasierte, einem in Brendin Grya wohlbekannten Ort mitten in der Wüste, an dem die Geister von Verdursteten ihr Unwesen trieben.
    Man vermutete, dass die bekannte mehrmalige Festspielteilnehmerin Hektei aus einem unbekannten Grund mit den Verfechtern aneinandergeraten sein musste und die Situation dann vollkommen außer Kontrolle geraten war. Beide Streitparteien hatten sich gegenseitig – mit Ausnahme des Rittrichters, der schwer verletzt überlebt hatte – vollständig aufgerieben.
    Man diskutierte, ob man ihm den Arm abnehmen müsse.
    In einem klaren Moment sagte er, dass ihm alles recht sei, solange er nur so bald wie möglich wieder aufbrechen könne. Seine Mission sei nämlich noch nicht erfüllt.
    Stenrei war unter den vielen, die in einer nahe dem Oval befindlichen Halle wieder zu sich kamen.
    Der Raum summte vom Keuchen der Verwundeten wie ein Bienenschwarm unter Wasser.
    Ein vertrautes Gesicht beugte sich über ihn und hielt ihn davon ab, sich aufzurichten. Es war nicht Erenis. Es war die Tempelschwester aus der Kutsche. Mehrere Tage lang hatte er dort Gelegenheit gehabt, ihr hübsches, aber verhärmtes Gesicht zu studieren. Im eigentümlichen Gegenlicht der Fenster erschien sie ihm jetzt mehr denn je wie etwas nicht ganz Weltliches.
    »Ihr solltet noch nicht aufstehen. Euer Kopf hat ganz schön etwas abbekommen.«
    »Mein Ohr«, raspelte er, sich erinnernd. Er versuchte es mit links zu befühlen, dabei tat ihm sein linker Arm weh. Er versuchte es mit rechts zu befühlen, dabei trieb ihm der Schmerz in der Schulter beinahe Tränen in die Augen. Als es ihm schließlich gelang, fühlte er nichts als Verbandstoff.
    »Die Offiziellen sagten, Ihr habt Euch bereits wieder erhoben, seid dann aber wieder umgekippt. Das ist ein deutliches Anzeichen für eine schwere Erschütterung des Schädels. Zwei Tage solltet Ihr besser noch liegen bleiben.«
    »Zwei Tage? Aber das geht doch nicht. Wo ist Erenis?«
    »Bislang war sie noch nicht hier.«
    Er schaute sie an, dann sich um. Annähernd fünfzig Menschen lagen hier. Die meisten von denen würden bald wieder aufstehen können. Und ausgerechnet er musste liegen bleiben. Nach einem Kampf ohne scharfe Waffen. An dem noch andere Minderjährige teilgenommen hatten.
    »Und Yunia? Ist sie hier irgendwo?«
    »Yunia?« Die Tempelschwester kannte das Mädchen nicht. Erenis beschrieb sie ihr. Dann schüttelte sie den Kopf. »Eine, auf die diese Beschreibung passt, wurde bei uns nicht

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