Klingenfieber: Roman (German Edition)
hatte sie ihn immer nur überrumpelt und gedemütigt. Wie konnte er auch nur hoffen, ihr eines Tages überlegen oder auch nur ebenbürtig zu sein? Aber er hatte es vorhin selbst gesagt. Während er es ausgesprochen hatte, war ihm dieser Gedanke überhaupt erst gekommen: Indem er die Klingentänzerin beobachtete, schulte er sich. Schulte er sich in allem, was ein Mann seiner Meinung nach wirklich wissen musste.
Er machte ein paar Schritte ihr hinterher.
Blieb wieder stehen. Wandte sich um. Ging zurück Richtung Wreden. Haderte mit sich, winkte ab, verwarf. Blieb wieder stehen. Wusste gar nichts mehr.
Dachte an die Büttel, die bald kommen würden.
Er setzte seinen Weg in Richtung Wreden fort. Indem er den Bütteln entgegenging, ging er dem Ärger mit ihnen aus dem Weg.
Dann blieb er stehen. Es klappte einfach nicht. Er hatte sonst nichts mehr. Er war schon zu lange von zu Hause weg, als dass seine Eltern nicht zetern, ihm weitschweifige Vorhaltungen machen und ihn mit schneidender Stimme auf seinem Zimmer einsperren würden. Sie konnten das tun, sie waren ja erwachsen und er nicht.
Sollte er in die Wälder gehen? In einen Krieg? Aber ohne Waffen?
Niemand konnte ihn besser im Schwertführen unterrichten als die Klingentänzerin.
Ja, das war es. Es war nicht einfach nur Verknalltheit oder Lust an ihrem Anblick. Es hatte auch einen richtigen Sinn. Ihr zu folgen und von ihr zu lernen war wichtig .
Auch wenn sie ihn umbringen würde, wenn sie ihn dabei erwischte.
Er folgte ihr den restlichen Tag über, ohne sie zu sehen. Hoster kam noch nicht in Sicht.
Die ganze Zeit überlegte er: Wenn der Abstand zwischen ihr und ihm so groß war, dass sie sich nicht sahen, konnte sie ihm eigentlich nichts vorwerfen. Er verfolgte sie dann nicht, sondern hatte einfach nur denselben Weg. Das durfte sie ihm ja wohl kaum verbieten. Er würde dann sagen, er wolle nach Licheln, die berühmten Blumen sehen.
Als der Himmel sich bereits rötete, sah er sie doch. Beinahe wäre er im wabernd trügerischen Dämmern zu dicht aufgelaufen, denn sie war stehen geblieben, mitten auf der Straße, in einem Gespräch mit einem Mann begriffen, der ein Schwert trug. Aber glücklicherweise nahm dieses Gespräch sie wohl wirklich in Anspruch, denn sie bemerkte Stenrei nicht, und er konnte sich seitlich ins Feld schlagen, um zu beobachten, ohne gesehen zu werden.
Der Mann war hager und sehnig, schon etwas älter, sein Bart schimmerte grau. Er musste von vorne gekommen sein, aus Richtung Hoster. Auf den Wegen zwischen den Dörfern waren nicht viele Menschen unterwegs, in den letzten zwei Tagen waren Stenrei lediglich zwei Karren und eine Gruppe schwer bepackter Marktleute begegnet.
Erenis ging mit dem Fremden von der Straße ins Feld. Dort setzten sie sich nieder und palaverten.
Stenrei spürte Eifersucht in sich aufwallen. War das ein Verbündeter von ihr? Ihr Mann vielleicht sogar? Ein Schwertkämpfer wie sie. Aber weshalb ließ er sie dann alleine durch die Dörfer ziehen, anstatt sie zu begleiten? Nein, das war nur ein Fremder. Aber mit diesem kämpfte sie nicht. Mit diesem zog sie sich vertraulich ins Feld zurück. Obwohl er ein Mann war. Oder weil er ein Mann war und kein Angeberjunge wie Kaskir und kein Grobklotz wie Guof.
Und kein tölpelhafter Hinterherschleicher wie Stenrei aus Bosel.
Stenrei ärgerte sich. Wollte am liebsten mit Steinchen nach den beiden werfen.
Wollte aber auf jeden Fall näher heran. Traute sich zuerst nicht. Wagte es dann aber doch.
Auf allen vieren kroch er in weitem Bogen durchs Roggenfeld. Der Himmel schien in Flammen zu stehen, Flammen, die mehr und mehr vom Rauchdunkel der Nacht verdeckt wurden. Für das Schleichen durchs Feld bedeutete dies eigentümlich unklares Licht. Einmal fasste Stenrei in Fuchslosung und fluchte beinahe. Sein Rascheln erschien ihm schon unnatürlich laut. Aber das ganze Feld raschelte, wenn der Wind ausatmete.
Er näherte sich. Ganz vorsichtig.
Vermeinte dann, Stöhnen zu hören. Liebesspielgeräusche. Ihm wurde ganz anders dabei. Aber war es wirklich das, was er zu hören glaubte? Oder waren es Worte, erhitzte, von der Dämmerung verunstaltet?
Dann Klirren. Stenrei zuckte so heftig zusammen, dass er sich beinahe vor sich selbst erschreckte.
Schwert gegen Schwert.
Erenis’ Lachen: wie erlöst nach einer Anspannung.
Also doch: sie kämpften. Auch dieser war ihr Gegner. Und wahrscheinlich bald ihr Opfer.
Zum ersten Mal kam Stenrei in diesen Augenblicken so richtig zu Bewusstsein,
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