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Klingenfieber: Roman (German Edition)

Klingenfieber: Roman (German Edition)

Titel: Klingenfieber: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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einem richtigen Mann trennte.
    Also nahm er es.
    Dazu musste er den Leichnam ein wenig anheben, aber das machte er mit dem Fuß. Dann zog er die Klinge hervor und wog sie in der Hand. Sie war sehr kalt und schwer, fühlte sich aber gut an. Der Griff war spiralig eingekerbt, lag ausgezeichnet in der Hand und bot ausreichenden Halt. Er vollführte ein paar Schwünge mit der Rechten, kappte ein paar Ähren damit. Scharf. Die Klinge war scharf wie ein Messer, das man zum Fleischschneiden benutze. Man benutzt dieses Schwert ja auch zum Fleischschneiden. Stenrei schluckte, schaute auf den Leichnam, die hässliche Wunde, an der sich schon Fliegen sammelten. Zur Mittagsstunde würde sie wahrscheinlich wimmeln von Insekten.
    Er schlug weiterhin um sich, führte das Schwert beidhändig, entwickelte einen Griff, mit dem er es mit beiden Händen gut fassen konnte. Er ließ sich treiben vom Gewicht der Waffe, drehte sich mehrmals voll um die eigene Achse, weil das Schwert ihm Fliehkraft verlieh. Ihm Kraft verlieh.
    Er tollte umher wie ein junger Hund. Sein Gesicht verzerrte sich dabei zu einem Gemisch aus Begeisterung und entschlossener Grimmigkeit. Er tötete Roggen. Vernichtete Roggen. Hundert weitere Roggenähren drängten dahinter gegen ihn vor. Uneinsichtige Schwachköpfe. Er machte sie alle nieder. Kurz und klein. Ohne Gnade. Er blieb siegreich.
    Verschnaufte.
    Dann weiter. Ein Vorstoß, ins Feld hinein. Links und rechts, da habt ihr! Ihr Langweiler! Ihr Boseler, Boseler Lumpenpack. Schwächlinge. In der Überzahl werdet ihr mutig, ja? Na wartet, euch zeige ich, wie ein Klingentänzer tanzen kann. Und hier. Und da. Und damit hast du nicht gerechnet, oder? Jetzt schaust du. Jetzt staunst du. Ja, ich. Ich, Stenrei. Kaskir, das Großmaul, ist tot – und mich gibt es jetzt mit Schwert!
    Er hielt inne, außer Atem.
    Er durfte sich jetzt nicht wie ein Kind betragen. Vielleicht beobachtete sie ihn ja, von irgendwo, und lachte sich schief.
    Mit geringschätzigem Gesicht wog er das Schwert in der Hand und sagte laut: »Nicht schlecht. Nicht das Beste, das ich je gesehen habe, aber immerhin nicht schlecht geschliffen.« Er lächelte über seine eigene Unverfrorenheit. Tatsächlich war ihm schön warm geworden durchs Toben.
    Und wohin jetzt mit der Klinge? Eigentlich brauchte er auch den Gurt und die Schwertscheide des Toten. Aber dadurch wurde es immer heikler, immer mehr zur Leichenfledderei. Man konnte ihm sogar einen Raubmord anhängen, wenn man ihn mit den Sachen eines Getöteten aufgriff. Das nackte Schwert allein aber würde wahrscheinlich nicht so leicht erkannt werden, weil sein Vorbesitzer es sicherlich meistens in der Scheide getragen hatte. Schlau wäre es, sich selbst eine Scheide anfertigen zu lassen. Aber dafür würden seine Münzen wohl nicht reichen. Zumindest noch nicht.
    Sein Tuchbeutel hatte keine stabilen Schlaufen wie Erenis’ Rucksack. Er würde nur böse zerschnitten werden, wenn er die scharfe Klinge da durchsteckte. Also steckte er sie sich hinten in den Hosengurt. Erenis trug ihr Schwert auch hinten, und das sah ziemlich verwegen aus. Aber als er ein paar Schritte machte, schlug es jedes Mal gegen seinen Hintern und wippte dadurch auf und ab wie der Schwanz eines Ochsen. Das wiederum sah wohl ziemlich dämlich aus.
    Also die Seite. Es gab offensichtlich einen Grund, weshalb die meisten Menschen ihr Schwert an der Seite trugen. An der linken Seite. Damit er es mit rechts ziehen konnte. Dabei musste er aufpassen, sich nicht den Gürtel durchzuschneiden und beim Ziehen plötzlich ohne Hose dazustehen. Das alles war gar nicht so einfach.
    Er probierte das Gehen. Lernte es neu.
    Zuerst im Feld, dann, dort war es wichtiger, auf der Straße. Ohne darüber nachzudenken, schlug er dabei die Richtung ein, die weiterhin der Klingentänzerin folgte.
    Aufgrund der nackten Klinge an seiner Hüfte änderte sich sein Gang. Verlagerte sich. Griff weniger Raum, sondern bewegte sich eindeutiger nur nach vorn. Das nicht unbeträchtliche Gewicht der Waffe war neu und belastete einseitig. Und er durfte mit dem Schenkel nicht an der Klinge reiben, mit ihrer Spitze nicht sein Knie schneiden oder stechen. Es kam ihm ein bisschen so vor, als führte er nun ein beständiges Wagnis mit sich, stetige Verletzungsgefahr – für sich, aber auch für andere. Als würde er dadurch selbst bedrohlich.
    Vielleicht war es das, was einen Mann ausmachte. Diese Verantwortung für Leib und Leben.
    Dann wiederum dachte er daran, dass dies aber

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