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Klingenfieber: Roman (German Edition)

Klingenfieber: Roman (German Edition)

Titel: Klingenfieber: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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ihn zubereitete.
    Er ließ uns fast nie raus aus unserer Kiste, nur wenn wir austreten mussten, legte er uns eine lange Halsleine an, band uns an einen Pfahl und ließ uns in der Kälte machen. Und er redete kein Wort mit uns. Ich bin mir sicher, dass meine letzten Flausen von einem Schloss oder einem Palast oder Bediensteten, die sich um uns kümmern würden, schon vollständig zerstoben waren, noch bevor wir die Schule erreichten.
    Die Schule war ein niedriges, aber vielzimmeriges Gebäude in den unteren Ausläufern der Berge. Es lag tiefer Schnee, als wir dort anlangten. Die Berge – daran erinnere ich mich noch, als wäre es gestern gewesen, dabei ist es beinahe zwanzig Jahre her – bestanden aus unterschiedlichen Lilatönen, von beinahe Schwarz bis Morgenwolkenrosa.
    Insgesamt lebten in dieser Schule achtzehn Mädchen, die überwiegend in Ketten gehalten wurden. Je vier kamen auf einen Raum. Ich teilte mir einen mit Ladiglea, die meine beste Freundin wurde, mit Hektei, auf die man immer aufpassen musste und die wir deshalb ›kleine Schwester‹ nannten, und mit Neeva, die die stärkste war von uns allen und dadurch meine ärgste Konkurrentin.
    Die Räume, in denen wir hausten, auf kratzigen Matten mit ranzigem Stroh, waren nichts.
    Von Bedeutung in der Schule war nur das Gewölbe , ein riesiger Raum mit tonnenförmiger Decke, in dem Ugon Fahus uns allen das Kämpfen beibrachte. Tag für Tag und Nacht für Nacht. Nur im Gewölbe durften wir seine Stimme hören. Dort lehrte er uns, Klingentänzerinnen zu werden.
    Wir waren nicht alle gleich alt, aber in einer ähnlichen Kindheitsstufe. Ich war mit meinen sieben Jahren eine der jüngsten, es gab noch zwei, die erst sechs waren. Die Älteste war neun. Ugon Fahus schindete und malträtierte uns, damit unsere Körper hart und sehnig wurden. Und er drohte uns: Sollten uns jemals Brüste wachsen, würde er sie uns eigenhändig abschneiden. Als nach einigen Jahren die ersten von uns tatsächlich weiblicher zu werden begannen, schnürten sie ihre Brüste mit Seilen und Tüchern ab, damit Ugon Fahus nicht wütend wurde.
    Frag mich nicht, was für ein Mann er war.
    Ich könnte nicht einmal mit Sicherheit sagen, dass er überhaupt ein Mensch war. Noch, wie er genau aussah. Ich sehe einen schwarzen, struppigen Bart vor mir, schwarze, struppige Haare, von Silbergrau durchwirkt, und schwarze, struppige Augenbrauen. Dazwischen ein Mund, der meistens streng und verkniffen schwieg und ab und zu Kommandos brüllte. An seine Augen und seine Nase kann ich mich nicht erinnern. Zu oft trug er auch seinen Helm. Für mich hatte er einen Käfig als Gesicht.
    Aber wie sein Körper sich anfühlte, das weiß ich. Leder und Eisen, ineinander verschränkt. Tausende von Malen bin ich gegen ihn geprallt, wurde von ihm ausgehebelt, zu Boden gerissen, gedrückt, gewürgt, habe mich gegen ihn gebäumt, habe gehasst und geschrien und gespuckt und hatte doch nicht die Kraft, ihm Widerstand zu leisten. Nein, er tat nicht das, woran du jetzt gerade denkst. Er kämpfte nur mit uns. Bezwang uns. Jeden Tag aufs Neue. Jeden Tag jede von uns mindestens ein Dutzend Mal. Mit nackten Fäusten. Mit den Füßen. Mit Bandagen. Mit Holzkeulen. Holzschwertern. Holzstangen. Holzschilden. Netzen. Gerten. Peitschen. Und schließlich den Schwertern.
    Als wir das Weinen verlernt oder aufgegeben hatten, nach fünf Jahren, als ich zwölf war und die ältesten von uns vierzehn, übergab er uns die Schwerter. Das, das ich heute noch trage. Es gibt nur achtzehn von ihnen in der ganzen Welt. Ich war noch klein mit zwölf. Ich lernte, es beidhändig zu führen, mein Körpergewicht mit seiner Hilfe zu verdoppeln. Zu tanzen. Wir schliefen an unsere Klingen geschmiegt. Lernten sogar, auf ihnen zu liegen. Auf der Schneide zu liegen. Und auf der Spitze zu sitzen.
    Wir kämpften auch gegeneinander. Verletzten uns, weil wir ungeschickt waren. Wurden dann von Ugon Fahus geschlagen. Genau auf die Wunden. Um uns das Ungeschicktsein auszutreiben. Das gelang auch. Mit der Zeit. Mit der Zeit gelang uns alles.
    Die ersten Besucher kamen, als ich dreizehn war. Männer. Die sich daran ergötzten, uns gegeneinander kämpfen zu sehen. Mädchen, die vom Alter her noch Kinder waren, aber die Stärke und Gewandtheit von Kriegern besaßen. Du fragst dich sicherlich, ob wir nackt waren, wenn wir kämpften. Waren wir nicht. Wir trugen blau gefärbte Lederbänder, die das Notdürftigste verhüllten, aber auch nur das. Ja, die Männer, die uns

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