Kloster Northanger
jemand anderem tanzen sehen, machen sie sich wahnsinnig über mich lustig.«
»Oh, nein, nach Ihrer Beschreibung werden sie gar nicht auf mich kommen.«
»Zum Henker, wenn sie das nicht tun, schmeiße ich die Holzköpfe raus. Wer ist denn der Bursche da?« Catherine stellte seine Neugier zufrieden. »Tilney«, wiederholte er. »Hm, kenne ich nicht. Sieht passabel aus, keine schlechte Figur. Braucht er ein Pferd? Mein Freund Sam Fletcher hier will eins verkaufen, das jedem Anspruch genügt. Ein toller Renner und so klug, nur vierzig Guineen. Ich war schon drauf und dran, es selbst zu kaufen, denn es ist einer meiner Grundsätze, ein gutes Pferd zu kaufen, wenn es mir über den Weg läuft, aber ich hatte keine Verwendung dafür, es ist als Reitpferd nicht geeignet. Ich würde jeden Preis für ein gutes Jagdpferd zahlen. Drei habe ich schon, absolute Spitzenklasse. Man könnte mir achthundert Guineen dafür geben. Fletcher und ich haben vor, gemeinsam ein Haus in Leicestershire zu mieten, zur nächsten Saison. Es ist so verdammt unbequem, im Gasthaus zu wohnen.«
Das war der letzte Satz, mit dem er Catherine auf die Nerven gehen konnte, denn er wurde gerade von einer langen Reihe vorbeitanzender Damen weggedrängt. Nun kam ihr Partner auf sie zu und sagte: »Mit meiner Geduld wäre es zu Ende gewesen, wenn der Herr eine halbe Minute länger geblieben wäre. Was fällt ihm ein, die Aufmerksamkeit meiner Dame zu beanspruchen! Wir sind einen Vertrag eingegangen, dass wir den ganzen Abend nett zueinander sein wollen, und zwar ausschließlich zueinander. Niemand kann die Aufmerksamkeit des einen beanspruchen, ohne die Rechte des anderen zu beeinträchtigen. Für mich ist Kontratanz ein Symbol der Ehe: Fröhlichkeit und Verträglichkeit gehören zu den Grundpfeilern beider, und die Männer, die nicht selbst tanzen oder heiraten wollen, sollen die Partnerinnen oder Frauen ihrer Nachbarn gefälligst in Ruhe lassen.«
»Aber das sind doch zwei so verschiedene Dinge …«
»… dass man sie Ihrer Meinung nach nicht miteinander vergleichen kann.«
»Natürlich nicht. Leute, die einander heiraten, können sich nicht mehr trennen, sondern müssen zusammenziehen. Leute, die miteinander tanzen, stehen einander nur in einem großen Saal eine halbe Stunde gegenüber.«
»Und das ist Ihre Definition von Heiraten und Tanzen. Wenn man es so betrachtet, ist ihre Ähnlichkeit natürlich nicht groß, aber meiner Meinung nach lassen sie sich gut vergleichen. Sie müssen zugeben, dass in beiden der Mann den Vorteil der freien Wahl hat, die Frau nur das Recht der Ablehnung, dass es sich in beiden um eine zum wechselseitigen Vorteil von Mann und Frau geschlossene Beziehung handelt und dass sie in beiden ausschließlich einander gehören, bis der Moment der Trennung gekommen ist; dass es ihre Pflicht ist, alles zu tun, um dem anderen keinen Anlass zu geben, sich einen anderen Partner zu wünschen, und es im Interesse beider liegt, die eigenen Gedanken nicht zu den Vorzügen ihrer Nachbarn schweifen zu lassen oder sich einzubilden, dass es ihnen bei jemand anderem besser ginge. Geben Sie all das zu?«
»Ja, natürlich, wie Sie es darstellen, klingt es zwar sehr überzeugend, aber beides ist trotzdem verschieden. Mir kommen sie weder ähnlich vor, noch erfordern sie meiner Meinung nach die gleichen Pflichten.«
»In einer Hinsicht gibt es natürlich einen Unterschied. In der Ehe soll der Mann den Lebensunterhalt für die Frau schaffen, und die Frau soll zu Hause seinen Wünschen entgegenkommen. Er muss das Geld verdienen, und sie muss lächeln. Aber beim Tanzen sind ihre Pflichten genau umgekehrt: Freundlichkeit und Entgegenkommen werden von ihm erwartet, während sie Fächer und Lavendelwasser mitbringt.
Das
war sicher der Unterschied in den Pflichten, der Ihnen so auffällig erschien, dass beides sich nicht miteinander vereinbaren ließ.«
»Nein, keineswegs, daran hatte ich gar nicht gedacht.«
»Dann weiß ich nicht mehr weiter. Eins muss ich allerdings noch bemerken. Ihren Hang, die Ähnlichkeit der Pflichten einfach abzulehnen, finde ich recht beunruhigend, und muss ich daraus nicht schließen, dass Ihr Pflichtbewusstsein beim Tanzen geringer ist, als Ihr Partner wünschen darf? Habe ich nicht allen Grund zu befürchten, dass nichts Sie davon abhalten würde, sich so lange zu unterhalten, wie es Ihnen gefällt, wenn der Herr von eben wiederkäme oder irgendein anderer Herr Sie anspräche?«
»Mr. Thorpe ist ein so enger Freund
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