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Kloster Northanger

Kloster Northanger

Titel: Kloster Northanger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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Angehöriger des anderen Geschlechts, ein Bruder eher als eine Großtante, sie hätte bewahren können, denn nur ein Mann kann das Desinteresse von Männern an neuen Kleidern ganz ermessen. Es wäre vernichtend für viele Damen, wenn man ihnen begreiflich machen könnte, wie wenig die Liebe der Männer von dem beeinflusst wird, was an der Ausstattung der Frauen kostspielig oder neu ist; wie wenig sie von dem Muster ihres Kleides abhängt, und wie wenig die Männer eine Schwäche für Punkte und Streifen, Wolle und Seide begreifen können. Eine Frau schmückt sich nur zu ihrem eigenen Vergnügen. Kein Mann bewundert sie deshalb mehr, keine Frau kann sie deshalb besser leiden. Schlichtheit und Eleganz genügen
ihm
, und ein bisschen Schäbigkeit und Abgeschmacktheit sieht
sie
mit Freude. Aber solche ernsten Überlegungen trübten Catherines Seelenruhe nicht.
    Sie betrat den Saal am Donnerstag Abend mit ganz anderen Empfindungen als am Montag. Damals hatte sie sich in dem Bewusstsein gesonnt, von Thorpe aufgefordert zu sein, heute war sie vor allem darauf bedacht, seinem Blick zu entgehen, damit er sie nicht wieder aufforderte, denn obwohl sie nicht erwarten konnte, nicht zu erwarten wagte, dass Mr. Tilney sie zum dritten Mal zum Tanz bitten würde, drehten sich ihre Wünsche, Hoffnungen und Pläne um nichts anderes. Alle jungen Damen werden für meine Heldin in diesem kritischen Augenblick Verständnis haben, denn alle jungen Damen haben irgendwann einmal dieselbe Aufregung durchgemacht. Alle waren in Gefahr oder glaubten jedenfalls, sie seien in Gefahr, von jemandem verfolgt zu werden, dem sie unbedingt aus dem Weg gehen wollten, und allen lag schon einmal daran, die Aufmerksamkeit von jemandem auf sich zu ziehen, den sie beeindrucken wollten. Sobald sich die Thorpes zu ihnen gesellten, begann Catherines Leiden. Sie tat, als sei sie furchtbar beschäftigt, wenn John Thorpe auf sie zukam, versteckte sich sooft wie möglich vor seinem Blick, und wenn er mit ihr sprach, tat sie, als höre sie ihn nicht. Die Kotillons waren vorüber, die Kontratänze begannen und die Tilneys waren weit und breit nicht zu sehen. »Du darfst keinen Schreck bekommen, meine liebe Catherine«, flüsterte Isabella, »aber ich tanze schon wieder mit deinem Bruder. Es ist wirklich ein richtiger Skandal. Ich habe ihm gesagt, er soll sich schämen, aber du und John müsst mitkommen, damit es nicht so unangenehm auffällt. Beeil dich, liebste Catherine, und komm mit. John ist nur eben weggegangen, er kommt jede Minute zurück.«
    Catherine hatte weder Zeit noch Lust zu antworten. Die beiden gingen fort, John Thorpe war noch nicht in Sicht und sie gab sich verloren. Damit es aber nicht etwa so aussah, als ob sie ihn beobachtete oder ihn erwartete, hielt sie ihre Augen konzentriert auf ihren Fächer gerichtet und war gerade damit beschäftigt, sich Vorwürfe zu machen, dass sie unvernünftigerweise erwartet hatte, in einer solchen Menschenmenge rechtzeitig die Tilneys zu entdecken, als sie sich plötzlich von Mr. Tilney persönlich angesprochen und noch einmal zum Tanz aufgefordert fand. Mit welch funkelnden Augen und welcher Bereitwilligkeit sie seiner Bitte nachkam und mit welch freudigem Herzklopfen sie ihm auf die Tanzfläche folgte, kann man sich vorstellen. John Thorpe zu entgehen, und zwar, wie sie annahm, so knapp zu entgehen und von Mr. Tilney aufgefordert zu werden, unmittelbar nach seiner Begrüßung zum Tanz aufgefordert zu werden, als ob er nach ihr gesucht hätte – es kam ihr vor, als ob das Leben keine größere Seligkeit zu bieten hätte.
    Kaum hatten sie sich in Ruhe zum Tanzen aufgestellt, als Catherines Aufmerksamkeit von John Thorpe in Anspruch genommen wurde, der direkt hinter ihr stand: »He, Miss Morland«, sagte er, »was soll das heißen? Ich dachte, Sie und ich würden miteinander tanzen.«
    »Wie kommen Sie denn darauf, Sie haben mich doch gar nicht aufgefordert.«
    »Na, Sie machen Witze, Donnerwetter! Ich habe Sie sofort aufgefordert, als wir in den Saal kamen, und wollte Sie gerade holen, aber als ich mich umdrehte, waren Sie verschwunden. Das ist mir eine schöne Gemeinheit! Ich bin nur hergekommen, um mit Ihnen zu tanzen, und dachte natürlich, wir wären schon seit Montag fest miteinander verabredet. Ja, ich erinnere mich, ich habe es Ihnen gesagt, als wir im Foyer auf Ihren Umhang warteten. Da habe ich nun allen meinen Bekannten erzählt, dass ich mit dem hübschesten Mädchen im Saal tanze, und wenn sie Sie mit

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