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Kloster Northanger

Kloster Northanger

Titel: Kloster Northanger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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Verwirrung dort ist skandalös. Miss Morland hat von nichts Schrecklicherem gesprochen als von einer Veröffentlichung, die demnächst herauskommen soll, und zwar in drei Duodezbänden 30 von je zweihundertsechzig Seiten und einem Titelbild im ersten Band mit zwei Grabsteinen und einer Laterne. Verstehst du? Und Sie, Miss Morland – meine einfältige Schwester hat all Ihre sonnenklaren Ausführungen missverstanden. Sie sprachen von den bevorstehenden Schrecken in London, und anstatt auf der Stelle zu begreifen, wie jeder vernünftige Mensch es getan hätte, dass sich diese Worte nur auf die Leihbüchereien beziehen können, sah sie vor ihrem inneren Auge gleich einen Haufen von dreitausend Männern auf St. George’s Field versammelt, sah einen Angriff auf die Bank von England, eine Bedrohung für den Tower, Ströme von Blut auf den Londoner Straßen, eine Abteilung der Zwölften Leichten Dragoner (der Hoffnung der Nation), herbeibeordert von Northampton, um die Aufständischen niederzuwerfen, und den tapferen Hauptmann Frederick Tilney beim Reiten der Attacke an der Spitze seiner Truppen durch einen Ziegelstein aus einem Oberfenster vom Pferd geworfen. Vergeben Sie ihr ihre Einfalt. Die Ängste der Schwester haben die Schwächen der Frau noch verstärkt, aber sonst ist sie eigentlich kein Einfaltspinsel.«
    Catherine sah ihn betroffen an. »Und nun, Henry«, sagte Miss Tilney, »wo du zu unserem wechselseitigen Verständnis beigetragen hast, könntest du vielleicht auch noch dazu beitragen, dass Miss Morland
dich
besser versteht, es sei denn, du willst ihr den Eindruck vermitteln, dass du deiner Schwester gegenüber unausstehlich grob und in deinem Urteil über die Frauen im Allgemeinen ein richtiges Scheusal bist. Miss Morland ist mit deinem sonderbaren Benehmen nicht vertraut.«
    »Ich würde sie mit dem größten Vergnügen besser damit bekannt machen.«
    »Keine Frage, aber das erklärt dein jetziges Benehmen nicht.«
    »Was soll ich tun?«
    »Das weißt du ganz genau. Zeig dich von deiner besten Seite. Sag ihr, dass du sehr viel von der Intelligenz der Frauen hältst.«
    »Miss Morland, ich halte sehr viel von der Intelligenz aller Frauen weit und breit, vor allem derer, wer sie auch sein mögen, in deren Gesellschaft ich mich zufällig befinde.«
    »Das genügt nicht. Sei ernster.«
    »Miss Morland, es gibt niemanden, der von der Intelligenz der Frauen mehr hält als ich. Meiner Meinung nach hat die Natur sie so reichhaltig mit Gaben bedacht, dass sie es nie für nötig halten, mehr als die Hälfte davon zu benutzen.«
    »Etwas Ernsteres bekommen wir heute nicht aus ihm heraus, Miss Morland. Er ist nicht in der richtigen Stimmung. Aber ich versichere Sie, es ist ein großes Missverständnis, wenn er den Eindruck erweckt, als ob er je etwas Ungerechtes über die Frauen oder etwas Unfreundliches über mich sage.«
    Es kostete nicht viel Mühe, Catherine zu überzeugen, dass Henry Tilney nie unrecht haben konnte. Vielleicht löste sein Benehmen manchmal Überraschung aus, aber seine Absicht musste immer wohlmeinend sein, und was sie nicht verstand, war sie mindestens ebenso bereit zu bewundern wie das, was sie verstand. Der ganze Spaziergang war ein reines Vergnügen, und obwohl er zu früh zu Ende war, galt das auch noch für den Abschluss: Ihre Freunde begleiteten sie ins Haus, und bevor sie sich verabschiedeten, bat Miss Tilney, die sich dabei mit respektvollen Worten ebenso sehr an Mrs. Allen wie an Catherine wandte, sie für übermorgen zum Dinner. Mrs. Allen machte keine Schwierigkeiten, und Catherines einzige Schwierigkeit bestand darin, das Übermaß ihrer Freude zu verbergen. Der Vormittag war so erfreulich vergangen, dass er jeden Gedanken an ihre Freunde und ihre herzliche Beziehung zu ihnen verdrängt hatte, denn Isabella oder James waren ihr nicht ein einziges Mal in den Kopf gekommen. Als die Tilneys gegangen waren, gewannen ihre Freundschaftsgefühle wieder die Oberhand, aber eine Zeitlang nützten ihr ihre Freundschaftsgefühle wenig. Mrs. Allen konnte ihr keine Nachrichten geben, die ihre Beklemmung lösten, sie hatte nichts von den andern gehört. Da Catherine allerdings gegen Ende des Vormittags ein Stück unentbehrliches Seidenband brauchte, das unverzüglich gekauft werden musste, ging sie in die Stadt und überholte auf der Bond Street Isabellas nächstjüngere Schwester, die in Begleitung von zwei bezaubernden Mädchen, welche den ganzen Vormittag lang ihre besten Freundinnen gewesen

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