Kloster Northanger
meine geliebte, reizende Freundin«, fuhr die Andere fort, »fasse dich. Ich bin ungeheuer aufgeregt, wie du merkst. Wir wollen uns hinsetzen und uns in Ruhe unterhalten. Also! Und du hast es gleich gewusst, als du meinen Brief bekamst? Du schlaues Kind! Oh, meine liebe Catherine, nur du kennst mein Herz und kannst daher beurteilen, wie mir in meinem Glück zumute ist. Dein Bruder ist der reizendste Mann der Welt. Wenn ich nur seiner würdig wäre! Aber was werden nur deine verehrten Eltern sagen? Oh, Himmel! Wenn ich an sie denke, werde ich so aufgeregt.«
In Catherine begann es langsam zu dämmern. Eine Ahnung der Wahrheit schoss ihr durch den Kopf. Dieser überraschend neue Gedanke ließ sie erröten, und sie rief: »Du lieber Himmel! Meine liebe Isabella, was willst du damit sagen? Bist du … bist du womöglich verliebt in James?«
Diese kühne Vermutung allerdings, so erfuhr sie bald, enthielt nur die halbe Wahrheit. Der heftigen Verliebtheit, die sie angeblich in jedem Blick und jeder Handlung von Isabella wahrgenommen haben sollte, so hörte sie nun, war auf dem gestrigen Ausflug das zauberhafte Bekenntnis der Gegenliebe gefolgt. Mit Herz und Hand hatte sie sich an James gebunden. Noch nie hatte Catherine eine so erregende, erstaunliche und freudige Nachricht gehört. Ihr Bruder und ihre Freundin verlobt! Der Reiz der Neuigkeit ließ ihr das Ereignis unaussprechlich bedeutend erscheinen, und sie betrachtete es als eine Begebenheit, so großartig, dass sie im alltäglichen Leben nicht noch einmal vorkommen konnte. Wie überwältigend ihre Empfindungen waren, konnte sie nicht ausdrücken; wie sehr sie mitempfand, entsprach allerdings Isabellas Erwartungen. Vor Freude berauscht, dass sie nun Schwägerinnen waren, fielen sich die charmanten jungen Damen wiederholt in die Arme und ließen ihren Freudentränen freien Lauf.
So sehr Catherine sich auf die zukünftige familiäre Bindung freute, es muss doch betont werden, dass Isabellas zärtlichste Erwartungen ihre noch übertrafen. »Du wirst meinem Herzen so unendlich viel näher stehen, liebe Catherine, als Anne oder Maria. Ich habe den Eindruck, ich werde mich den lieben Morlands so viel verbundener fühlen als meiner eigenen Familie.«
Dies war ein Grad von Freundschaft, der Catherines Verständnis überstieg.
»Du hast so viel Ähnlichkeit mit deinem lieben Bruder«, fuhr Isabella fort, »dass ich vom ersten Augenblick an ganz vernarrt in dich war. Aber so geht es mir immer; der erste Augenblick entscheidet alles. Am ersten Tag, als Morland letzte Weihnachten zu uns kam, im ersten Augenblick, als ich ihn ansah, war mein Herz unwiderruflich verloren. Ich erinnere mich noch: Ich trug mein gelbes Kleid und hatte meine Haare in Zöpfen hochgesteckt, und als ich das Wohnzimmer betrat und John ihn vorstellte, kam es mir vor, als hätte ich noch nie einen so schönen Menschen gesehen.«
Hier erkannte Catherine insgeheim, was die Macht der Liebe vermochte, denn obwohl sie ihren Bruder wirklich außerordentlich gern mochte und seine Gaben durchaus zu schätzen wusste, wäre sie nie im Leben auf den Gedanken gekommen, dass er schön sei.
»Ich erinnere mich auch, dass Miss Andrews abends bei uns Tee trank und ihr rostbraunes Seidenkleid trug, und sie sah so traumhaft aus, dass ich dachte, dein Bruder würde sich bestimmt in sie verlieben. Ich habe die ganze Nacht kein Auge zugetan, weil ich immer daran denken musste. Oh, Catherine, die vielen schlaflosen Nächte, die ich um deines Bruders willen gehabt habe! Ich möchte nicht, dass du nur halb soviel durchmachst. Ich weiß, ich bin förmlich abgemagert, aber ich will dich nicht mit der Beschreibung meiner Ängste plagen. Du hast das alles miterlebt. Ich hatte ständig Angst, ich würde mich verraten. Meine Vorliebe für die Kirche so offen einzugestehen! Aber ich wusste immer, dass mein Geheimnis bei dir sicher ist.«
Catherine fand, nichts hätte sicherer sein können, aber da sie sich für ihre unvermutete Ahnungslosigkeit schämte, wagte sie weder weiter darüber zu argumentieren noch abzustreiten, dass sie so voll durchtriebenem Scharfsinn und zärtlicher Sympathie gewesen war, wie Isabella anzunehmen beliebte. Ihr Bruder, so erfuhr sie, war im Begriff, in aller Eile nach Fullerton aufzubrechen, um seine Verlobung anzukündigen und die Zustimmung seiner Eltern einzuholen, und das bereitete Isabella einige Unruhe. Da Catherine selbst davon überzeugt war, dass ihr Vater und ihre Mutter den Wünschen ihres
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