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Kloster Northanger

Kloster Northanger

Titel: Kloster Northanger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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Sie entfalten Phantasie, ohne Interesse zu wecken. Mir gefällt Geschichte, und mir macht es nichts aus, das Falsche mit dem Wahren zu akzeptieren. Ihr Tatsachengerüst beziehen sie aus Informationsquellen wie früheren Geschichtswerken und Dokumenten, auf die man sich, denke ich mir, so gut verlassen kann wie auf alles, was man nicht mit eigenen Augen miterlebt, und was die Ausschmückungen angeht, von denen Sie sprechen, so sind es eben Ausschmückungen, und als solche mag ich sie gern. Wenn eine Rede gut gebaut ist, lese ich sie gern, ganz gleich, wer sie geschrieben hat; wahrscheinlich viel lieber, wenn sie von Mr. Hume oder Mr. Robertson 27 stammt, als wenn es die genialen Worte von Caractacus, Agricola oder Alfred dem Großen wären.«
    »Ihnen gefällt Geschichte! Genau wie Mr. Allen und meinem Vater, und ich habe zwei Brüder, die sich auch dafür interessieren. So viele Leute in meinem kleinen Freundeskreis, es ist erstaunlich. Unter diesen Umständen habe ich keinen Grund mehr, die Geschichtsschreiber zu bemitleiden. Wenn Leute ihre Bücher gern lesen, dann ist es ja gut, aber mit so viel Mühe die riesigen Bände zu füllen, die dann, wie ich immer dachte, freiwillig niemand aufschlägt; sich so abgearbeitet zu haben, nur zur Qual von kleinen Jungen und Mädchen, das habe ich immer für ein hartes Schicksal gehalten, und obwohl ich weiß, dass all das sehr richtig und nötig ist, habe ich mich oft über den Mut des Autors gewundert, der sich zu keinem anderen Zweck an den Schreibtisch setzt.«
    »Dass kleine Jungen und Mädchen gequält werden müssen«, sagte Henry, »wird niemand leugnen, der die Menschheit in einem zivilisierten Stadium kennt, aber im Interesse unserer angesehensten Historiker muss ich anmerken, dass sie allen Grund hätten, über die Annahme empört zu sein, sie hätten kein höheres Ziel; und dass sie durch ihre Methoden und ihren Stil ausgezeichnet dazu fähig sind, an Einsicht und Alter weit fortgeschrittene Leser zu quälen. Ich benutze entsprechend Ihrer eigenen Gewohnheit, die mir aufgefallen ist, das Verb ›quälen‹ statt ›unterrichten‹ in der Annahme, dass sie neuerdings als Synonyme gelten.«
    »Sie halten mich für einfältig, weil ich den Unterricht eine Qual nenne, aber wenn Sie so oft zugesehen hätten, wie arme kleine Kinder erst lesen und dann schreiben lernen müssen, wenn Sie je gesehen hätten, wie begriffsstutzig sie alle miteinander einen ganzen Vormittag lang sein können, und wie erschöpft meine arme Mutter schließlich ist, was ich fast jeden Tag meines Lebens zu Hause miterlebt habe, dann würden Sie zugeben, dass ›quälen‹ und ›unterrichten‹ manchmal als Synonyme gelten dürfen.«
    »Höchstwahrscheinlich, aber Historiker sind nicht für die Schwierigkeiten beim Lesenlernen verantwortlich, und vielleicht können ja sogar Sie, die Sie nicht gerade eine Vorliebe für sehr intensives, sehr angestrengtes Lernen zu haben scheinen, zu der Einsicht gebracht werden, dass es die Mühe sehr wohl wert ist, zwei oder drei Jahre seines Lebens gequält zu werden, wenn man dann hinterher den Rest des Lebens lesen kann. Bedenken Sie: Wenn man nicht lesen lernte, hätte Mrs. Radcliffe ganz umsonst geschrieben oder vielleicht sogar gar nicht.«
    Catherine stimmte zu, und sie beendeten das Thema mit einer sehr tief empfundenen Lobeshymne auf die Verdienste dieser Dame. Die Tilneys waren bald mit einem neuen Thema beschäftigt, zu dem sie nichts zu sagen hatte. Sie betrachteten die Landschaft mit den Augen von Menschen, die malen, und überlegten mit der Begeisterung von Kennern, was sich davon besonders zum Malen eignete. 28 Hier fühlte sich Catherine ganz hilflos. Sie verstand nichts vom Malen, nichts von Kunst, und die Aufmerksamkeit, mit der sie dem Gespräch der beiden folgte, nützte ihr auch nicht recht, denn sie unterhielten sich in Formulierungen, mit denen sie kaum eine Vorstellung verband. Das wenige allerdings, was sie verstand, schien den vagen Eindrücken, die sie von dem Thema bisher gehabt hatte, zu widersprechen. Anscheinend malte man eine Landschaft nicht mehr vom Gipfel eines hohen Hügels aus, und ein klarer blauer Himmel war kein Beweis mehr für einen schönen Tag. Sie schämte sich von Herzen über ihre Unwissenheit. Eine völlig unangebrachte Scham! Wo Leute zu gefallen suchen, sollten sie immer unwissend sein. Wer eine solide Bildung mitbringt, ist unfähig, der Eitelkeit der anderen zu schmeicheln, was ein zartfühlender Mensch immer zu

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