Kloster Northanger
Sohnes niemals im Wege stehen würden, versuchte sie auch Isabella davon zu überzeugen. »Keine anderen Eltern sind so verständnisvoll und am Glück ihrer Kinder interessiert«, sagte sie. »Ich zweifle nicht, dass sie unverzüglich zustimmen werden.«
»Genau das sagt Morland auch«, erwiderte Isabella, »und doch wage ich es nicht zu hoffen. Meine Mitgift ist so klein. Sie können gar nicht zustimmen. Dein Bruder – der doch heiraten könnte, wen er will!«
Wieder erkannte Catherine die Macht der Liebe.
»Nein, Isabella, du denkst zu gering von dir. Der Vermögensunterschied kann so groß nicht sein.«
»Oh, meine süße Catherine, ich weiß, für dein edelmütiges Herz ist er nicht groß, aber so viel Uneigennützigkeit gibt es nicht oft. Wenn es nach mir ginge, müssten die Verhältnisse umgekehrt sein. Hätte ich eine Million zur Verfügung, wäre ich Herrin der ganzen Welt – ich würde immer nur deinen Bruder wählen.«
Diese zartfühlende Empfindung, die auf Catherine wegen ihrer Menschlichkeit und Neuartigkeit große Wirkung ausübte, erinnerte sie aufs angenehmste an all die Romanheldinnen, die sie kannte, und sie fand, ihre Freundin habe noch nie so gewinnend ausgesehen wie beim Äußern dieses großartigen Gedankens. »Sie sind ganz sicher einverstanden«, erklärte sie wiederholt, »sie sind ganz sicher von dir begeistert.«
»Was mich angeht«, sagte Isabella, »meine Wünsche sind so bescheiden, dass das kleinste Einkommen auf der Welt genug für mich wäre. Wo Menschen sich wirklich lieben, ist selbst Armut Reichtum. Überfluss verabscheue ich. Nicht um alles in der Welt würde ich in London wohnen wollen. Eine Hütte in irgendeinem entlegenen Dorf wäre das Paradies. In der Nähe Richmonds gibt es einige reizende kleine Landhäuser.«
»Richmond!«, rief Catherine. »Ihr müsst in der Nähe von Fullerton wohnen. Ihr müsst nahe bei uns sein.«
»Ich wäre bestimmt todunglücklich, wenn ich nicht bei euch wäre. Wenn ich nur nahe bei dir sein kann, dann bin ich schon zufrieden. Aber das sind Luftschlösser. Ich will mir nicht gestatten, an diese Dinge zu denken, bevor wir die Antwort deines Vaters haben. Morland sagt, wenn er sie heute Abend nach Salisbury schickt, könnten wir sie morgen haben. Morgen? Ich weiß, ich werde gar nicht den Mut haben, den Brief zu öffnen. Ich weiß, es wird mich umbringen.«
Auf diese Feststellung verfiel Isabella in ein Träumen, und als sie weitersprach, wandte sie sich den Ausgaben für ihr Hochzeitskleid zu. Ihre Unterredung wurde durch den ungeduldigen jungen Liebhaber selbst beendet, der gekommen war, um seinen Abschiedsseufzer zu hauchen, bevor er nach Wiltshire aufbrach. Catherine wollte ihm gerne gratulieren, aber sie wusste nicht, was sie sagen sollte; doch ihr strahlender Blick sprach Bände. Alle acht Wortarten wurden darin so überzeugend verwendet, dass James sich die Bedeutung mit Leichtigkeit zusammenreimen konnte. Da er ungeduldig war, alle seine Hoffnungen zu Hause zu verwirklichen, währte sein Abschied nicht lange, und er wäre noch kürzer gewesen, wenn die Dame seines Herzens ihn nicht durch ständige Ermahnungen zum Aufbruch zurückgehalten hätte. »Wirklich, Morland, ich muss dich jetzt wegschicken. Denk doch nur, wie weit du reiten musst. Ich kann gar nicht mit ansehen, wie du bummelst. Um Himmels willen, halt dich nicht länger auf. Geh jetzt, geh, ich bestehe darauf.«
Den ganzen Tag waren die beiden Freundinnen jetzt mehr als je in herzlicher Zuneigung verbunden, unzertrennlich, und ihr schwesterliches Glück planend vergingen die Stunden wie im Flug. Mrs. Thorpe und ihr Sohn, die alles wussten und anscheinend nur auf Mr. Morlands Zustimmung warteten, um Isabellas Verlobung als das denkbar glücklichste Ereignis für ihre Familie anzusehen, durften nun an ihren Beratungen teilnehmen und ihren Anteil an vielsagenden Blicken und geheimnisvollen Andeutungen hinzufügen, um die Neugier der uneingeweihten jüngeren Schwestern noch zu steigern. Catherine in ihrer Unkompliziertheit erschien die merkwürdige Geheimniskrämerei weder freundlich gemeint noch konsequent durchgeführt, und sie hätte sich kaum enthalten können, auf die Unfreundlichkeit hinzuweisen, wenn sie nicht mit der Inkonsequenz auf so gutem Fuße gestanden hätten. Aber Anne und Maria beruhigten sich bald mit ihrem scharfsinnigen »Ich weiß schon!«, und so verbrachte man den Abend in einem geistreichen Geplänkel, einem Wettstreit familiärer Findigkeit, bei dem
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