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Kloster Northanger

Kloster Northanger

Titel: Kloster Northanger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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will. Es ist ihr sehr ähnlich.« Das war ein weiterer Beweis. Ein Porträt – sehr ähnlich – von einer verstorbenen Frau – und dem eigenen Mann war es nicht lieb und wert! Er musste entsetzlich grausam zu ihr gewesen sein.
    Catherine versuchte nicht, die Empfindungen, die er trotz all seiner Aufmerksamkeiten in ihr hervorgerufen hatte, länger vor sich selbst zu verbergen, und was vorher Angst und Abneigung gewesen war, war nun abgrundtiefer Abscheu. Ja, Abscheu. Seine Grausamkeit einer so reizvollen Frau gegenüber machte ihn ihr verhasst. Sie hatte oft von solchen Charakteren gelesen, die Mr. Allen unnatürlich und überzeichnet genannt hatte. Aber hier war ein unwiderleglicher Beweis für das Gegenteil.
    Sie war gerade zu diesem Schluss gekommen, als das Ende des Pfades sie wieder mit dem General zusammenführte, und trotz all ihrer moralischen Entrüstung sah sie sich nun wieder gezwungen, neben ihm zu gehen, ihm zuzuhören und sogar zu lächeln, wenn er lächelte. Da sie aber unfähig war, ihrer Umgebung noch länger etwas abzugewinnen, verlangsamte sie ihren Schritt. Der General bemerkte es, und aus Sorge um ihre Gesundheit, was ihre Meinung über ihn Lügen zu strafen schien, drängte er sie ungeduldig, mit seiner Tochter zum Haus zurückzukehren. Er würde ihnen in einer Viertelstunde folgen. Sie trennten sich noch einmal, aber einen Augenblick später rief er Eleanor wieder zurück und schärfte ihr ausdrücklich ein, ihre Freundin auf keinen Fall vor seiner Rückkehr durch das Kloster zu führen. Dass er zum zweiten Mal hinauszuzögern suchte, woran ihr so viel lag, berührte sie als außerordentlich bemerkenswert.

Kapitel 23
    Ehe der General hereinkam, verging eine Stunde, die sein junger Gast in wenig schmeichelhaften Betrachtungen über seinen Charakter verbrachte. »Diese ausgedehnte Abwesenheit, diese einsamen Spaziergänge ließen nicht auf ein Bewusstsein, das mit sich selbst im Reinen war, oder ein Gewissen, das sich nichts vorzuwerfen hatte, schließen.« Endlich erschien er, und was für trüben Gedanken er auch nachgehangen haben mochte, für die Mädchen hatte er immer noch ein Lächeln übrig. Miss Tilney, die ein gewisses Verständnis für die Neugier ihrer Freundin, das Haus kennenzulernen, hatte, brachte das Gespräch bald wieder auf dieses Thema, und da ihr Vater entgegen Catherines Erwartungen keinen anderen Vorwand zu weiterem Aufschub fand, als sie fünf Minuten warten zu lassen, um für die Bereitstellung von Erfrischungen bei ihrer Rückkehr zu sorgen, war er schließlich bereit, sie zu begleiten.
    Sie machten sich auf den Weg, und mit würdevoller Miene, mit gesetztem Schritt, der das Auge bestach, aber die wohlbelesene Catherine nicht in ihren Zweifeln erschüttern konnte, ging er ihnen durch die Halle, durch das tägliche Wohnzimmer und ein unnützes Vorzimmer in einen durch Größe und Mobiliar eindrucksvollen Raum voran, den eigentlichen Salon, der nur für Gäste von Rang und Namen benutzt wurde. »Wie vornehm, wie großartig, wie reizend«, war alles, was Catherine zu sagen hatte, denn ihr ungeschultes Auge unterschied kaum die Farben des Satins, und alles detaillierte Lob, alles Lob, das von Kunstverstand zeugte, spendete der General selbst; die Kostspieligkeit oder Eleganz einer Zimmerausstattung bedeutete Catherine nichts. Sie konnte keinem Möbelstück etwas abgewinnen, das nicht mindestens aus dem 15. Jahrhundert stammte. Als der General seine eigene Neugier mit dem eingehenden Studium jeder wohlbekannten Verzierung befriedigt hatte, gingen sie in die Bibliothek weiter, einen auf seine Weise ebenso großartigen Raum, der eine Sammlung von Büchern darbot, auf die ein bescheidener Mensch mit Stolz geblickt hätte. Catherine lauschte, bewunderte und staunte mit echterer Anteilnahme als zuvor, entnahm diesem Arsenal von Wissen soviel sie konnte, indem sie den Blick über die Titel eines halben Regals schweifen ließ, und war bereit, weiterzugehen. Aber ihre Wünsche konnten nicht beliebig Zimmerfluchten herbeizaubern. So weitläufig das Gebäude war, sie hatte bereits den größten Teil besichtigt. Als man ihr jedoch sagte, dass die sechs oder sieben Räume, die sie gesehen hatte, zusammen mit der Küche drei Seiten des Innenhofs umschlossen, konnte sie es kaum glauben und auch den Verdacht nicht loswerden, dass es noch viele geheime Zimmer geben müsse. Sie wurde allerdings dadurch entschädigt, dass sie auf dem Rückweg in die täglich benutzten Zimmer durch einige

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