Klotz, Der Tod Und Das Absurde
Querschnittzeichnungen
an. Es war möglich, das Implantat unter oder über dem Brustmuskel einpflanzen
zu lassen. Sie hatte sich für die Version entschieden, wo das Silikonkissen auf
den Brustmuskel kommt. Sah einfach besser aus.
Sie steckte den Prospekt wieder zurück in die Tasche. Als sie zur
Tür sah, erblickte sie einen unrasierten, verschwitzten Mann in einem total
verdreckten Mantel. Hätte sie nicht gewusst, um wen es sich handelte, sie hätte
geglaubt, ein verwirrter Penner hätte sich ins Polizeipräsidium verirrt.
»Was ist denn mit Ihnen passiert, Herr Klotz?«
Klotz antwortete der Sekretärin nicht. Wischte sich stattdessen mit
einem zerfledderten Tempo den Schweiß von der Stirn. Leonie Zangenberg setzte
Klotz davon in Kenntnis, dass der Polizeipräsident mit ihm sprechen wollte.
* * *
Huber wies Klotz einen Sitzplatz an und warf einen kurzen,
irritierten Blick auf die zerstörte Erscheinung seines Beamten. Dann berichtete
er von dem unglücklichen Zwischenfall, der Oberkommissarin Haevernick
widerfahren war.
Klotz fühlte sich unwohl. Im Moment konnte er alles gebrauchen, aber
keine überforderte Mitarbeiterin, die durch einen tragischen Unfall
möglicherweise seelischen Schaden genommen hatte. Er umriss kurz den Stand der
Ermittlungen. Die beiden Beamten waren sich einig, dass die ganze Sache
ziemliche Rätsel aufgab. Letztendlich war eine Beurteilung der Sachlage ohne
ausreichende Kenntnis der kriminaltechnischen und gerichtsmedizinischen Fakten
nicht möglich. Deshalb hatte Huber im Einvernehmen mit der Staatsanwältin eine
Besprechung für morgen anberaumt, an der alle ermittelnden Beamten und die
Chefs von Pathologie und Spurensicherung teilnehmen würden. Er selbst würde
nicht anwesend sein können, da er nach München zur Verabschiedung einer
leitenden Medizinaldirektorin geladen war. Staatsanwältin Gulden würde
selbstverständlich erscheinen. Da Klotz die Sitzung leiten sollte, empfahl
Huber, dass er sich noch einmal Zeit nehmen möge, eine geordnete Aufbereitung
der bisherigen Gesamtsituation vorzunehmen.
Nachdem das weitere Vorgehen im Wesentlichen abgestimmt worden war,
verabschiedete sich Huber. Klotz tat dem Eins-dreiundsechzig-Mann einen
Gefallen und stand nicht auf, bevor dieser gegangen war. Dann erhob er sich und
nahm der Sekretärin den Kaffee ab. Als Leonie Zangenberg den Raum verließ,
stierte er ihr hinterher und dachte: Was für eine Granate! Aber wie kann man
nur so einen Wahnsinnshintern haben und vorn so was von flach sein. Irgendwie
hat die Schöpfung da doch geschlafen. Er war ein bisschen erschrocken über
seinen misogynen Gedanken und beschloss, zur Beruhigung eine Zigarette zu
drehen. Als er fertig war, prostete er mit der Kaffeetasse seinem Spiegelbild
zu, das in einem Fenster zu erkennen war, und rauchte gemächlich seine Zigarette,
obwohl oder gerade weil das Rauchen im Besprechungszimmer strengstens untersagt
war.
Der »Goldene Stern« war wie immer gut besucht. Trotzdem hatte Klotz
heute Glück. Er hatte gerade einen freien Tisch ergattert. Warf seinen
verdreckten Mantel auf einen Stuhl und bestellte sechs Nürnberger mit Kraut,
dazu ein Tucher Urfränkisch Dunkel.
Früher war er immer mit Diana, seiner Exfrau, hier gewesen. Das war
über fünf Jahre her. Letztes Jahr erst hatte er sich wieder hier hineingetraut.
Zu viele Erinnerungen waren mit dem Lokal verbunden, und er war froh, dass er
jetzt ohne irgendeinen nachtrauernden Gedanken hier sitzen konnte. Mit seinen
Gefühlen für Diana hatte Klotz abgeschlossen. Manchmal war er ganz erstaunt
darüber, wie sehr starke Gefühle verblassen und schließlich ganz ausgelöscht
werden konnten. Das Einzige, was ihm von seiner missglückten Ehe geblieben war,
war sein Sohn Frederik, den er viel zu selten sah.
Er sah hinaus auf die Straße. Dort waren hell erleuchtete Bogen zu
erkennen, mit Sternen und künstlichen Tannenzweigen. Die Werbung, die auf den
Linienbussen klebte, war von Schneeflocken, Rentieren und Christbaumkugeln
dominiert. Offensichtlich ließ sich ein neues Handy im Augenblick besser
verkaufen, wenn es von einer dunkelhaarigen Frau mit rot-weißer Mütze auf dem
Kopf angepriesen wurde. Irgendwie kam ihm dieser ganze Weihnachtsrummel wie
eine Grippe vor, die es auszustehen galt. Plötzlich musste er niesen.
Zwei Stunden später war er zurück in seiner Wohnung am Norikus. Er
spürte mit einem Mal, wie müde er war. Den Mantel gab er auf einen Bügel und
hängte ihn an der Schranktür auf. Der
Weitere Kostenlose Bücher