Klotz, Der Tod Und Das Absurde
der Konzentration in den stoffabbauenden Organen konnte
die zum Tatzeitpunkt verabreichte Menge errechnet werden. Roses Ermittlerteam
hatte nicht schlecht gestaunt, als herauskam, dass die Dosis der Substanz genau
austariert worden war. So hatte sie wohl unweigerlich zur Betäubung von
Bogendorfers Bewegungsapparat geführt, das Opfer war allerdings noch bei
Bewusstsein gewesen, als es im Fluss ertrank. Bogendorfer hatte sein Ableben
also noch voll mitbekommen, war aber nicht in der Lage gewesen, auch nur einen
Finger zu rühren.
»Irgendwelche Spuren vom Mörder?«, fragte Klotz.
»Nicht die geringste. Ein paar unbrauchbare Zeugenaussagen, das ist
alles. Er ist wohl aus dem Wagen, als dieser im Wasser war, und irgendwo weiter
flussabwärts ist er dann ans Ufer und hat sich abgesetzt.«
Klotz und Haevernick berichteten von Thorsten Gummler. Man
verabredete eine enge Zusammenarbeit und versprach, mit Hochdruck an der
Aufklärung der Mordfälle zu arbeiten. Schließlich tauschte man die Akten aus
und verabschiedete sich.
Klotz entschied sich dafür, Haevernick das Steuer zu überlassen.
Nachdem er die Karte wieder in die Seitentasche der Tür gesteckt hatte, gab er
das Kommando zum Losfahren. Es war Viertel vor zwölf, und Klotz fragte sich,
wie lange er ohne Mittagessen noch aushalten würde. Aber bevor sie nicht ein
ordentliches Stück an dieses Mondfeld, an den Tatort, herangekommen sein
würden, würde er sich nicht entspannen können, das wusste er. Die Zeit rannte
ihnen davon, und wenn die bisherige Ermittlungsarbeit bis morgen Abend nicht
endlich etwas Konkretes zutage gefördert haben würde, dann würden die Feiertage
zu einer unerträglichen Qual werden, zumindest für ihn.
Die Gegend wurde hügelig, die Kurven nahmen zu. Wenn die Karte recht
hatte und die Geschwindigkeit in etwa so blieb, dann würden sie eine gute
Stunde zu ihrem Ziel brauchen.
Klotz hatte gerade den Deckel der Akte Bogendorfer öffnen wollen,
als sein Handy klingelte. Melanie war am Apparat. Er musste das Essen absagen,
das er mit ihr für heute Abend ausgemacht hatte, und vertröstete sie auf den
Freitagabend.
Das fing ja wieder gut an, dachte er schuldbewusst, nachdem er
aufgelegt hatte. Tja, Polizisten und Frauen, das war so eine Sache. Er würde
das Ganze mal ganz locker auf sich zukommen lassen, beschloss er und schlug die
Akte auf, die auf seinen Knien lag.
Johann Georg Bogendorfer hatte am Samstag, dem 16. Dezember, den Ort
Mondfeld aus beruflichen Gründen aufgesucht. Er war im Auftrag seines Chefs,
des Bildhauermeisters Fröhling, unterwegs gewesen, um eine Bestandsaufnahme für
mögliche Restaurierungsarbeiten an einer Burgruine vorzunehmen.
Klotz studierte den Tatortbefundbericht und die Aussagen der
Augenzeugen. Im Wesentlichen entsprach das, was er da las, dem, was ihnen Rose
schon mitgeteilt hatte. Klotz beabsichtigte dennoch, eine erneute Befragung
durchzuführen. Schließlich erschien der Fall Bogendorfer in Verbindung mit dem
Mord an Gummler in einem völlig neuen Licht. Außerdem wusste er aus Erfahrung,
dass man immer etwas übersah. Biros alte Regel.
Interessant war der Bericht über Bogendorfers Chef, diesen Fröhling,
Bildhauermeister aus Ebrach. Zunächst war man davon ausgegangen, dass er als
Täter in Betracht kam. Die Beschreibung der Augenzeugen passte nämlich ziemlich
gut auf ihn. Mittelgroße, schlanke Statur, Rastalocken.
Allerdings hatte Fröhling ein Alibi vorzuweisen. Er war während der
Tatzeit in Würzburg gewesen und hatte dort mit einem Baurat von der
Stadtverwaltung über die Restaurierung einer Kirche verhandelt. Fröhling schied
also offensichtlich als Täter aus.
Klotz versuchte sich einen Reim auf diese Sache mit den Briefen zu
machen. War der Mörder vielleicht eine Art perverser Sterbehelfer? Tötung auf
Verlangen? Ihm fiel dieser Herr aus Rotenburg ein, der sich bundesweit einen
Namen als Kannibale gemacht hatte. Eine doch recht fragwürdige Reputation. Sein
kriminalistisches Gespür sagte ihm, dass diese Annahme Unsinn sein musste.
Auffällig war, dass jemand einen Mord zum Selbstmord erklärte. Und dabei
erschien die Deklarierung als Selbstmord irgendwie absurd, ja eigentlich
sarkastisch. Immerhin war nicht von der Hand zu weisen, dass in beiden Fällen
eine eindeutige Signatur vorlag, die beide Morde ganz deutlich zusammenhängen
ließ. Zum einen bezüglich des Abschiedsbriefes, zum anderen hinsichtlich der
Verfahrensweise. Beide Opfer waren in einem Wagen gestorben. Beide
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