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Klotz, Der Tod Und Das Absurde

Titel: Klotz, Der Tod Und Das Absurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Klier
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Rachen
schmeckte er den bitteren Geschmack des Kokains, das aus der Stirnhöhle nach
unten geflossen war. Es war nötig gewesen. Wegen der Schmerzen und um seine
zunehmende Verwirrtheit aufzulösen. Um wieder nach draußen zu kommen, zurück in
die Realität. Er fühlte sich wach und klar. Genoss die Gewissheit, wieder mit
beiden Beinen auf festem Boden zu stehen.
    Er warf einen Blick auf die Tretboote im Wasser, die auf dem
Dutzendteich lagen und deren weiße Decks im Mondlicht hell leuchteten. Sein
Tempo steigerte sich.
    Neben der Taubheit in seinem Gesicht spürte er die Kälte auf
Stirn und Wangen. Beinahe hatte er das Strandhaus erreicht. Wenige Meter
entfernt sah er die Umrisse eines hageren Mannes, der seinen Hund Gassi führte,
und ihm fiel wieder die gestrige Trauerfeier ein.
    Es hatte ihn doch ein wenig gewundert, dass Klotz niemanden
geschickt hatte. Normalerweise war es doch üblich, dass in schwierigen
Mordermittlungen eine Observierung der Bestattung des Mordopfers angeordnet
wurde. Irgendwie ärgerte ihn die offensichtlich recht schlampige
Ermittlungsarbeit, die man in diesem Fall walten ließ. An allen Ecken und Enden
hatte er Hinweise verstreut und dann das!
    Der Weg um den See beschrieb einen Bogen nach rechts, und die
Kongresshalle fiel in sein Blickfeld.
    Er sah dieses riesige Bauwerk, das äußerlich einem antiken
Kolosseum glich, aber weder von Griechen noch Römern hierhin gestellt worden
war, sondern von Albert Speer. Dem Chefarchitekten des Dritten Reichs. Die
Kongresshalle war nie fertiggestellt worden. Wenn man in den Innenhof der Halle
trat, so musste man feststellen, dass das Dach fehlte. Eine Ruine, hinter deren
eindrucksvoller Fassade, die von Insassen aus Konzentrationslagern errichtet
worden war, sich nichts als bloßes Backsteinmauerwerk befand. Er rannte weiter.
    Wenn er wieder in seinem Versteck wäre, dann würde er noch die
Buchungsbestätigung ausdrucken. Er sehnte sich diesen Tag herbei, an dem er
endlich ins Flugzeug steigen würde.
    Er spürte den Hass in sich aufsteigen, aber jetzt warf er ihn
nicht mehr zu Boden, jetzt gab er ihm Kraft. Er beschleunigte noch mal das
Tempo und drehte den MP 3-Player
auf volle Lautstärke.
    Als er durch den Säulengang an der Kongresshalle lief, riss er
seinen Mund auf und brüllte, dass es unter den wuchtigen Granitbogen zu hallen
begann. Er war unbesiegbar. Unbesiegbar und von niemandem aufzuhalten. Er hatte
alles und alle längst hinter sich gelassen, gab Vollgas auf einer tödlichen
Überholspur, die dem Verkehr entgegengesetzt war und auf der es für niemanden
Platz gab, außer für ihn selbst und seine heilige Mission.
    * * *
    Im Frühstücksraum des Hotels saß außer ihnen nur noch ein älteres
Ehepaar, das sich um die Himbeermarmelade stritt. Klotz biss in ein Wurstbrot
und sah Haevernick an, die auf ihren Teller schaute. Abgesehen davon, dass sie
ihr Haar offen trug, war noch etwas irgendwie anders an ihr heute Morgen. Ihm
fiel auf, dass sie kaum mit ihm sprach. Außerdem hatten ihre schmalen Lippen
etwas Verbissenes an sich. Vielleicht presste sie sie fester aufeinander als
sonst.
    Das Mädchen von der Rezeption kam mit einer weißen Keramikkanne und
schenkte ihnen ein. Als er den Geruch des Früchtetees wahrnahm, fühlte er sich
an Zeiten erinnert, als er an irgendwelchen Jugendfreizeiten teilgenommen
hatte. Er leckte die Butter von seinem Zeigefinger und versuchte so etwas wie
den Beginn eines Gesprächs.
    »Und? Alles in Ordnung?«
    »Warum sollte etwas nicht in Ordnung sein?«, entgegnete Haevernick.
    Sein Eindruck verstärkte sich. In Haevernicks Ton war etwas, das auf
eine allgemeine Unzufriedenheit schließen ließ. Klotz ahnte, worauf diese
zurückzuführen war.
    »Also, wenn dir irgendetwas nicht passt, dann raus damit.«
    Sie hatte gerade ihr Frühstücksei geköpft und musste feststellen,
dass es so gut wie roh war. Unter das Geplänkel des zankenden Ehepaars mischte
sich für einen Moment der Laut eines missmutigen Stöhnens. Sie stellte das
missratene Ei zur Seite und fluchte.
    »Wenn dir irgendetwas nicht passt. – Ich muss schon sagen, mein
lieber Herr Hauptkommissar Klotz, Sensibilität und Einfühlungsvermögen scheinen
in Ihrem Leben nur eine untergeordnete oder bisweilen gar keine Rolle zu
spielen.«
    Er fuhr sich verlegen über das frisch rasierte Kinn und war für
einen Augenblick erstaunt, dass da nichts Stacheliges mehr war. Ihm war
natürlich klar, worauf sie anspielte. Er hatte sie gestern im

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