Klotz, Der Tod Und Das Absurde
Wesentlichen wie
einen besseren Statisten behandelt, der ihn im Prinzip nur durch die Gegend
hatte kutschieren dürfen. Und irgendwie hatte er ja auch ein schlechtes
Gewissen, aber es war nun einmal ein Problem für ihn, wenn er wichtige
Ermittlungsarbeit anderen Leuten als sich selbst überlassen sollte.
»Es tut mir leid, wenn ich …«
Sie blickte ihm fest in die Augen, ihre Kieferknochen spannten sich
an.
»Falls es dir entgangen sein sollte: Ich habe eine Ausbildung zur
Kriminalkommissarin absolviert und nicht zum Chauffeur!«
Für einen Moment fühlte er sich an seine Ehe erinnert und an den
Anteil, den er zu ihrem Ende beigetragen hatte. Er beschloss, Einsicht zu
zeigen. Irgendwie musste man ja dazulernen, auch wenn’s wehtat.
»Gut. Dann machen wir das heute andersrum. Einverstanden?«
Im Sommer musste das ein schönes Eck sein, dachte Klotz, als er die
vielen entlaubten Bäume auf dem Parkplatz vor der Justizvollzugsanstalt sah.
Die Häuser um den Platz waren beinahe alle aus Naturstein und machten irgendwie
einen recht historischen Eindruck. Es gab eine Gaststätte und eine Bäckerei mit
Café.
Der Standort der Bildhauerei Fröhling war nicht schwer zu erkennen.
Auf einem offenen Hof wurde gerade eine lebensgroße Barockstatue von einem
Gabelstapler auf einen Transportlaster gehievt. Die drei Leute, die um den Lkw
herumsprangen, gestikulierten wild durcheinander, und an den beinahe
unmerklichen Bewegungen der Gabelstapleraufhängung konnte man ablesen, dass es
sich hier um ein ziemlich diffiziles Unternehmen handeln musste.
»Also. Wer von uns beiden geht jetzt da rüber und vernimmt diesen
Fröhling?«, fragte Haevernick.
»Mach du das ruhig«, antwortete Klotz.
»Gut. Wird wahrscheinlich nicht besonders lange dauern.«
»Wenn du fertig bist, holst du mich ab. Ich bin da drüben in dem
Café.«
Haevernick ging über die Straße und zurrte ihren Pferdeschwanz fest,
dann strich sie über ihr gespanntes Haar.
Klotz sah sich schemenhaft in der Scheibe des Cafés. Er war fett
oder zumindest dick. Auf jeden Fall zu dick. Während er sich das letzte Stück Bienenstich in den Mund schob, nahm er
sich vor, abzuspecken. Silvester war ja bald. Da wäre es dann an der Zeit, sich
gute Vorsätze fürs neue Jahr zu machen. Aber bis dahin würde er erst einmal
diesen Fall lösen. Danach konnte er über seine Figur nachdenken.
Bevor er sich eine Zigarette drehte, sprühte er das, was von dem
Schnupfenspray noch übrig war, in seine Nase. Irgendwo hatte er mal gelesen,
dass in diesen Sprays Substanzen enthalten waren, die abhängig machen konnten.
Vielleicht wäre Nasenspraysucht besser. Besser als Fett- und Tabaksucht
zumindest. Er beschloss, Schluss zu machen. Bald. Mit allem. Mit der Fresserei,
der Raucherei und mit diesem Schnupfen.
Während er sich die Selbstgedrehte anzündete, warf er das leere
Sprühfläschchen in den Abfalleimer, der neben ihm in einer Ecke stand.
* * *
An den Rastalocken hatte Haevernick ihn sofort erkannt. Er stand
neben dem Gabelstapler und brüllte irgendwelche Kommandos. Inzwischen waren
etwa zwei Minuten vergangen, und er hatte sie nicht eines Blickes gewürdigt.
Die Initiative würde wohl von ihr ausgehen müssen. Sie stellte sich darauf ein,
mit lauter und entschiedener Stimme zu sprechen.
»Herr Patrick Fröhling?«
»Bei der Arbeit!«
»Haevernick. Kriminalpolizei.«
Der Bildhauermeister schien für einen Moment etwas aus dem Konzept
geraten zu sein. Er warf ihr einen leicht verwirrten Blick zu und sagte dann,
dass sie ruhig schon mal ins Büro gehen könne. Er würde in fünf bis zehn
Minuten nachkommen.
Als sie über den Hof in Richtung des Hauses ging, von dem sie
vermutete, dass sie dort das Büro finden würde, sah sie einen dicklichen Jungen
mit blonden Haaren, der sich an einem schwarzen Steinblock abmühte. Er war
gerade dabei, eine Fläche zu klopfen, die von einer Unterkante des
quadratischen Blocks schräg nach oben auslief. Sieht aus wie eine Pyramide,
dachte Haevernick und ging vorbei.
Im Hauseingang roch es, als hätte gerade jemand einen Joint
geraucht. Na ja, egal. Sie war nicht bei der Drogenfahndung. Trotzdem würde sie
nachher bei Gelegenheit mal was dazu sagen müssen. Polizistenpflicht.
Die Messingschildchen auf den Türen verrieten ihr, dass nach der
Küche und dem WC das Büro kam. Sie
öffnete die Tür und sah sich um. An den Wänden hingen Pläne und Fotos von
Figuren, Kreuzen, Schriften und Grabmalen. Über die gesamte Länge einer
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