Klotz, Der Tod Und Das Absurde
in Nürnberg?«
»Steht an der Stadtgrenze rum, gehört aber zu Fürth.«
Als Klotz das Wort »Grenze« gehört hatte, hatte er eine Entscheidung
getroffen.
Ganz schön nobler Schuppen, dachte Klotz, nachdem er durch die
Schranke an der Einfahrt gefahren war und jetzt den Wagen auf einer Parkfläche
abstellte, der eigentlich Lieferfahrzeugen vorbehalten war. Die Kommissare
stiegen aus dem Omega und blickten an einer silberglänzenden Pyramide hoch zu
einer Spitze, die in einen bewölkten Himmel stach.
Klotz sah einen krawattierten Geschäftsmann aus dem Eingang des
Hotels kommen und fuhr sich mit seinen nikotinbefleckten Fingern über die
Stoppeln seines Kinns.
»Ob wir uns da überhaupt einen Kaffee leisten können?«, fragte er
unbestimmt und sah rüber zu Escherlich, der eine leere Schachtel Zigaretten
zusammenknüllte.
»Nicht auf den Boden!«, warnte Klotz, und Escherlich stopfte die
zerknüllte Schachtel in seine Jackentasche.
Sie wussten nicht recht, was sie tun sollten, nachdem sie
eingetreten waren. Irgendwie fühlten sie sich hier deplatziert, ziemlich underdressed unter all diesen Upperclass -Menschen. Die sahen alle so vital und erfolgreich
aus.
Klotz blickte hinüber zu ein paar türkisfarbenen Stelen, die
seitlich neben der Rezeption standen. Kunst. Plötzlich wurde er von Escherlich
angestupst:
»Sag mal, ist das nicht der Seehofer da drüben in der Smoker’s
Lounge?«
Dabei war der doch mal Gesundheitsminister oder so was, dachte sich
Klotz und blieb Escherlich eine Antwort schuldig.
Eine groß gewachsene Frau mit blonden Zöpfen kam auf sie zu.
»Grüß Gott«, sagte sie freundlich, »kann ich den Herren
weiterhelfen?«
»Wir schauen uns hier nur einmal um«, antwortete Klotz.
»Gerne doch.«
Die Frau wollte gerade wieder gehen, als Klotz das Namensschild
bemerkte, das an ihrem Blazer angebracht war.
»Entschuldigung, Frau …«, rief Klotz ihr hinterher. Die Frau drehte
sich um.
»Erras.«
»Entschuldigung, Frau Erras«, wiederholte Klotz, »Ihr Namensschild.«
»Was ist damit?«
»Dieses Logo. Dieses Quadrat mit den beiden gekreuzten Diagonalen.«
»Ja?«
»Das ist wohl so eine Art Markenzeichen.«
»Ja. Eine Pyramide. Das tragen alle unsere Mitarbeiter hier.«
»Und ist das auch auf Ihrem Briefpapier?«
»Da ist es auch drauf.«
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, uns einen Bogen von diesem Papier
zu geben?«
»Kein Problem.«
Die Frau ging hinter die Rezeption und brachte den Kommissaren das
Briefpapier. Es war das gleiche Papier, das für die Abschiedsbriefe von Gummler
und Bogendorfer benutzt worden war.
Es wurde exklusiv für das Hotel Pyramide angefertigt. Zugang zu dem
Papier hatten alle Mitarbeiter, aber selbstverständlich auch alle, die hier als
Gäste waren.
Klotz und Escherlich bedankten sich bei der freundlichen Dame und
gingen zurück zum Wagen.
In Klotz’ Gehirn hatte es zu gären begonnen. Er erinnerte sich an
den Fall Elisa Morvan, an die verschwundene Akte. Diese Morvan. Die hatte sich
doch auf einer Baustelle das Leben genommen. War das nicht so?
Plötzlich kehrte er um.
»Lass schon mal den Wagen an. Ich komm gleich«, rief er Escherlich
zu.
Klotz stapfte in die Eingangshalle des Hotels zurück. Beinahe wäre
er mit diesem Seehofer zusammengestoßen, der gerade aus der Smoker’s Lounge kam
und lauthals lachte.
Unglaublich! Klingt diese Lache bayerisch, dachte Klotz und ging zur
Rezeption, wo er Frau Erras wiedertraf.
»Sagen Sie, noch eine Frage. Wann wurde denn die Pyramide erbaut?«
»Die Bauarbeiten begannen 1988. Ein Jahr später, im Herbst, sind wir
dann eingezogen.«
»Also im Sommer 88 stand bereits der Rohbau, ist das richtig?«
»Ja, absolut.«
Klotz stürmte aus dem Hotel. In seinem Kopf kreuzten sich
Assoziationen und Gedanken, von denen er nicht genau wusste, ob sie logisch
oder paranoid waren.
Das konnte einfach nicht sein. Dass diese Sache mit Gummler und
Bogendorfer mit der Morvan-Geschichte zusammenhing. Nein, das war unmöglich!
Der aktuelle Fall war schon absurd genug. Und dann sollte der auch noch mit dem
Selbstmord dieser Elisa Morvan von 1988 zusammenhängen?
Klotz versuchte, die angefangenen Reflexionen beiseitezuschieben,
aber irgendwie gelang ihm das nicht.
»Wie, nicht da?«, fragte Klotz ärgerlich.
Der rothaarige Wandergeselle, dessen Augen man deutlich ansah, dass
er gekifft hatte, brauchte ein paar Sekunden, um sich zu sammeln.
»Na, nicht da halt. Wollte zum Arzt. Fühlte sich nicht gut, hat er
gesagt.
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