Klotz, Der Tod Und Das Absurde
hätte
er zufrieden sein müssen. War er aber nicht. Er stand auf und sah hinunter zu
der kleinen Kirche auf dem Jakobsplatz. Vereinzelt wehten ein paar
Schneeflocken gegen die Scheiben. Er dachte nach. Kramte in der Innentasche
seines Mantels und zog das Foto hervor, das ihm von den Akten Morvan und
Lohofer geblieben war. Setzte sich an den Schreibtisch. Starrte auf das Foto.
Drehte es um. Starrte auf die Unterschrift seines Vaters. Der Vater. Sein
ganzes Leben lang hatte er ihn bewundert, auch wenn dieser nie zufrieden mit
ihm gewesen war. Er sah wieder dessen enttäuschtes Gesicht vor sich, als er ihm
hatte offenbaren müssen, dass die diversen Versuche, ein Studium der Medizin
aufzunehmen, gescheitert waren. Sein Abitur war einfach zu schlecht gewesen,
und im Medizinertest, den er wiederholt versucht hatte, war er immer wieder durchgefallen. Dann wirst du eben Kriminaler. Er hatte
den Klang dieser Worte noch im Ohr. Sie hatten sich wie die Erklärung einer
Kapitulation angehört. Und dennoch war er der Aufforderung gefolgt, und jetzt
saß er hier und grübelte über seinen Vater Dr. Reinhardt Klotz, und ob dieser
Vater, dieser makellose Vater, der seinen Sohn für einen Versager gehalten
hatte, vielleicht in eine riesengroße Schweinerei verwickelt gewesen war.
Klotz nahm einen Kugelschreiber und zeichnete ein Quadrat auf das
Foto. Zeichnete die Diagonalen ein. Dann nahm er das Foto und steckte es in
seine Manteltasche.
Er ließ seinen Blick über den Schreibtisch wandern. Hängen blieb er
an dem Kuvert, in dem Lackners Bericht steckte. Vielleicht sollte ich Biro
anrufen, schoss es ihm durch den Kopf, als die Tür geöffnet wurde und
Escherlich das Büro betrat.
»Grüß dich, Peter. Was ist denn los mit dir?«
»Wieso?«
»Siehst irgendwie verschwitzt aus.«
Klotz sah, dass Escherlichs Hosenstall offen stand. Escherlich hatte
den Blick des Kollegen auf die Hose bemerkt und schloss schnell den
Reißverschluss.
»Ach Mensch, Peter. Ich sag es mal so: Es ist mir ja egal, was du in
deiner Freizeit machst, aber …«, begann Klotz.
»Aber was?«
»In Amerika sagt man: Don’t fuck where you eat .«
Mit einem zerknüllten Tempotaschentuch, das er irgendwo zwischen dem
Müll auf seinem Schreibtisch gefunden hatte, wischte sich Escherlich das
Gesicht ab.
»In Amerika … Ich war auf dem Klo, du Eumel! Was du schon wieder
denkst.«
Klotz fiel etwas Rotes auf, was an Escherlichs Hals klebte und ihn
an den Lippenstift von Leonie Zangenberg erinnerte. Klotz beschloss, nicht
weiter nachzubohren. Nahm das hellbraune Kuvert vom Schreibtisch und reichte es
seinem Kollegen.
»Fröhling wartet schon«, merkte er an, »schau dir das auf dem Weg zum
Verhörraum an. Also, los jetzt. Auf!«
K: Nun, Herr Fröhling. Wie geht es Ihnen?
F: Den Umständen entsprechend. Hat Ihnen das Phantombild
weitergeholfen?
K: Darauf kommen wir später zu sprechen. Zunächst mal gibt es da für
uns noch einige offene Fragen, auf die wir gerne eine Antwort hätten.
E: Möchten Sie eine Zigarette?
F (nimmt sich eine Zigarette, Escherlich hält ihm ein Feuerzeug hin):
Danke.
K: Erklären Sie uns doch mal, was das mit dieser Pyramide, diesem
Grabmal und diesem Adresszettel mit meinem Namen drauf soll.
F: Wie bitte?
E: Antworten Sie einfach.
F: Ich kann dazu nichts sagen. Ich sagte doch schon, dass es sich da
um einen Auftrag von diesem dubiosen Mörder gehandelt hat.
K: Können Sie uns auch erklären, warum Sie diesen Grabstein weiterhin
von Ihrem Lehrling bearbeiten lassen, wo der Auftrag doch im Prinzip hinfällig
geworden ist?
F: Ja, natürlich, das kann ich schon.
E: Also, raus mit der Sprache!
F: Ganz einfach. Der Stein ist ja nun einmal da, und der Lehrling
soll ja auch was lernen. Da hab ich ihm gesagt, dass er das Ding fertig machen
soll.
K: Hm. Na ja. Ein bisschen makaber vielleicht, aber gut.
F: In meinem Job geht es immer irgendwie makaber zu. Der Tod stellt
einen beträchtlichen Teil meiner Geschäftsgrundlage dar.
K: Verstehe. Aber trotzdem möchte ich eine klare Antwort auf meine
Frage. Bei Bogendorfer und Gummler sind wir uns einigermaßen über die Motivlage
im Klaren. Aber warum wollen Sie mich umbringen?
F: Ich begreife überhaupt nichts mehr! Was soll das? Wie oft soll ich
meine Unschuld noch beteuern? Ich war es nicht! Ich bin kein Mörder!
E: Erstunken und erlogen! Hier, schauen Sie sich das an! (wirft
Fröhling den Bericht der Gerichtsmedizin hin).
F: Was soll das? Was ist
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