Klotz, Der Tod Und Das Absurde
Klotz
weitergegangen.
Er überlegte, wie lange er noch warten sollte. Plötzlich sprang der
Motor des Wagens an. Sekunden später fiel der rote Schein der Rücklichter auf
sein Gesicht. Er stand auf und näherte sich dem Fahrzeug.
»Hallo? Hallo, entschuldigen Sie!«
Er klopfte energisch gegen die Scheibe an der Beifahrerseite.
Schließlich brach der Fahrer das Anfahrmanöver ab. Der Jüngere, der mit den
helleren Haaren, ließ die Scheibe herunter.
»Was ist denn?«
»Entschuldigung. Ich möchte Sie gar nicht lange aufhalten, Herr
Wachtmeister. Aber ich bin fremd hier. Ich komme aus Düsseldorf, verstehen Sie,
und ich müsste …«
»Was suchen Sie denn?«
»Ich müsste zum Nordostbahnhof.«
»Nordostbahnhof? Das ist ganz leicht, also Sie gehen hier vorne
nach links …«
»Könnten Sie mir das auf dem Plan einzeichnen, bitte?«
Genervt nahm der Beamte Plan und Kugelschreiber entgegen. Als er
die Spitze des Kugelschreibers auf den Nordostbahnhof setzte, um diesen mit
einem Kreuz zu markieren, hörte er ein kurzes, trockenes Geräusch, das wie ein
metallener, tonloser Pfiff klang. Er blickte zu seinem Kollegen auf dem Fahrersitz
und sah das Einschussloch auf der Stirn, aus dem dunkles Blut quoll. Drehte
sein Gesicht wieder zu dem Passanten. Spürte für den Bruchteil einer Sekunde
einen stechenden Schmerz. Ließ Kugelschreiber und Plan fallen und konnte nichts
anderes tun als sterben.
29. Dezember
Obwohl er in der Nacht ruhig und fest geschlafen hatte, war
Klotz immer noch verstimmt. Alles war irgendwie schief, verursachte ein
leichtes, aber doch permanentes Ziehen in der Magengegend. Und zu allem
Überfluss war er auch noch viel zu spät dran.
Als er aus der Knorrstraße auf den Jakobsplatz getreten war, bot
sich ihm ein ungewöhnlicher Anblick, und er blieb unvermittelt stehen. Was zum
Teufel machten denn all diese Presseleute da? Sogar eine Fernsehkamera ragte
aus diesem Knäuel von Journalisten, das sich vor dem Haupteingang des
Präsidiums eingefunden hatte.
Er überlegte, dass es wohl am besten wäre, sich vorbeizuschleichen
und über die Rückseite das Gebäude zu betreten. Da trat plötzlich einer der
Journalisten aus der Menge und starrte zu ihm herüber. Mist, verdammter! Der
Zeitungsschreiber musste ihn erkannt haben.
Die Truppe kapierte schnell, was los war, und im Nu waren alle
Blicke nur noch auf ihn gerichtet. Klotz wusste, dass jetzt jeder Widerstand
zwecklos war oder gar lächerlich gewirkt hätte. Also entschloss er sich, diesem
Auflauf von Medienmenschen, so resolut es ging, entgegenzutreten.
Er hatte noch nicht ein Wort gesagt, da blitzten auch schon die
ersten Fotoapparate. Ein Fernsehfritze hielt ihm ein riesiges Mikro unter die
Nase:
»Herr Hauptkommissar, was haben Sie zu dem Doppelmord an den beiden
Polizisten zu sagen?«
Klotz fühlte sich mit einem Mal völlig aus der Bahn geworfen. Er
wich dem Journalisten aus und starrte für einen Moment auf den wuchtigen Adler,
der über dem Eingangsportal prangte, und er wünschte, dass sich das stählerne
Ungetüm doch lösen und auf sie alle hinabstürzen würde. Aber es rührte sich
nichts.
»Herr Hauptkommissar, eine Stellungnahme bitte!«
Klotz kehrte zu den aufgeregten Fernsehfuzzis zurück.
»Da müssen Sie sich an den Einsatzleiter des entsprechenden
Dezernats wenden.«
»Es hieß, Sie wären mit dem Fall betraut worden.«
»So? Da wissen Sie aber mehr als ich. Am besten, Sie warten die
offizielle Presseerklärung ab. Da drüben ist ein nettes Café. Und jetzt lassen
Sie mich bitte durch. Ich bin hier, um meine Arbeit zu machen.«
Nachdem er die Tür des Büros hinter sich geschlossen hatte, musste
er erst einmal seine Gedanken ordnen. Doppelmord? Zwei Polizisten, die man
umgebracht hatte? Und wenn schon. Er würde warten. Irgendeiner hier in diesem
Laden würde ihn schon aufklären. Es war zunächst einmal viel wichtiger, dass er
sich um Fröhling kümmerte.
Während er sich eine Tasse Kaffee einschenkte, sah er zu Escherlichs
Schreibtisch und wunderte sich. Der Dreck war weg. Die Fläche glänzte wie der
ölige Eierkopf von Laanschaf. Wo war Escherlich eigentlich schon wieder?
Klotz setzte sich. Neben dem Ordner, der Fröhlings
Vernehmungsprotokolle enthielt, lag eine Nachricht. Er sollte sich sofort bei
Huber melden.
»Der Herr Polizeipräsident spricht gerade mit der Presse. Er wird
wohl erst wieder in einer halben Stunde zu sprechen sein. Möchten Sie so lange
warten?«
Frau Grau, die Vorzimmerdame, deren Name
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