Klotz, Der Tod Und Das Absurde
Gedanke.
Zweifellos deuteten alle Beweise und Indizien lückenlos auf Fröhling
als Täter hin. Das war eine Tatsache, die nicht geleugnet werden konnte, die
letzten Endes den Abschluss der Untersuchungen gerechtfertigt hatte. Und
dennoch. Irgendwie hatte er das diffuse Gefühl, dass Fröhling nicht der Täter
sein konnte. Eine handfeste Begründung wollte ihm nicht einfallen. Stattdessen
erinnerte er sich an eine von Biros Weisheiten: Der Tatort ist der Schlüssel
zum Täter .
Also. Wenn der Tatort ein Schlüssel war, dann musste der Täter das
Schloss sein. Und genau da lag das Problem. Hier, an dieser Nahtstelle, stimmte
etwas nicht. Das, was an den Tatorten geschehen war, passte einfach nicht zu
einer Persönlichkeit wie diesem Fröhling.
Angenommen, Fröhling hätte Gummler und Bogendorfer umbringen wollen,
weil sie ihn erpressten. Warum war er dann nicht hergegangen und hatte, wie
jeder andere Mörder auch, einfach eine Pistole oder ein Messer genommen und auf
eine günstige Gelegenheit gewartet?
Bei den Lagebesprechungen waren sie sich alle einig gewesen, dass
die Tatorte, Tatzeiten und Tatumstände von Bedeutung geradezu überfrachtet
waren. Wenn sich Klotz an die Verhöre erinnerte, so konnte er nicht
feststellen, dass Fröhling jemand war, den eine besondere Tiefgründigkeit
auszeichnete. Sollte dieser Fröhling jemand sein, der der Welt eine spezielle
Botschaft zu übermitteln hatte? Ein Mann, der einen Handwerksbetrieb leitete
und mit beiden Beinen im Leben stand? Wohl kaum. Er war einfach nicht der Typ
dafür. Außerdem hielt ihn Klotz nicht für intelligent genug, sich derartige
Inszenierungen auszudenken, wie sie in den beiden Mordfällen vorlagen.
Und dennoch sprach die objektiv feststellbare Spurenlage zu
einhundert Prozent gegen Fröhling. Oder zu neunundneunzig Komma neun Prozent,
wenn man’s genau nahm.
Er war in Höhe des Berliner Platzes angekommen und hielt an, um sich
eine Zigarette zu drehen. Das grelle Licht eines entgegenkommenden Autos
blendete ihn, und er drehte sich zum Stadtparkgelände hin. Als er die fertige
Zigarette in den Mund gesteckt hatte, blickte er für einen Moment in die
Dunkelheit, nahm ein paar Sekunden die Umrisse von Bäumen und Hecken wahr und
zündete sich die Zigarette an. Dann ging er weiter.
Morgen würde er noch einmal die Vernehmungsprotokolle studieren. Und
zwar gründlich. Und er würde noch mal mit Fröhling reden. Allein, unter vier
Augen.
* * *
Er atmete ruhig und tief. Die Temperatur war auf drei Grad unter
Null gefallen, aber ihm war nicht kalt. Er schluckte wieder und nahm den
beißenden Geschmack des Kokains wahr, das von der Stirnhöhle kommend an seinem
Gaumen Richtung Speiseröhre hinunterlief. Er steckte sich einen Kaugummi in den
Mund. Die Schärfe in seinem Rachen neutralisierte sich, und er bemerkte, wie
seine Sinne mit jeder Sekunde klarer und wacher wurden.
Durfte man der Anzeige des GPS -Gerätes
glauben, so war er keine hundertfünfzig Meter mehr vom Zielobjekt entfernt. Er
schaltete das Gerät aus und beschloss, sich an das Objekt heranzupirschen.
Linker Hand bemerkte er die Silhouette des Schillerdenkmals. Er
überlegte, ob der Schatten der Büste für eine ausreichende Deckung genügen
würde. Entschied sich dann für ein Gestrüpp, das näher am Zielpunkt lag.
Nachdem er sich hingekniet hatte, blickte er für einen Moment den
Weg entlang, auf dem der Wagen geparkt hatte. Das Auto war etwa fünfzehn bis
zwanzig Meter von der Ausfahrt auf die Bayreuther Straße entfernt.
Er sah die mächtige Reformationskirche auf dem Berliner Platz.
Sie wurde von starken Scheinwerfern angestrahlt und erschien in einem warmen,
beinahe orangefarbenen Licht. Er schaltete das Nachtsichtgerät ein.
Während der zehn Minuten, in denen er die beiden Männer in dem
Wagen beobachtet hatte, waren gerade mal zwei Spaziergänger an der Ausfahrt zur
Hauptstraße vorbeigekommen. Im Park selbst tat sich nicht das Geringste. Er
richtete sich langsam auf und beschloss loszuschlagen.
Er war schon zehn Meter an dem Fahrzeug dran, als plötzlich ein
Mann in einem Mantel auf dem Bürgersteig, der die Ausfahrt kreuzte, stehen
blieb und sich zum Park hinwandte. Schnell tauchte er ab, ging in die Hocke.
Als der Mann einen Tabaksbeutel aus der Tasche seines Mantels
gekramt und damit begonnen hatte, sich eine Zigarette zu drehen, erkannte er
ihn: Klotz! Verdammt, was machte der denn da?
Nachdem er sich seine Zigarette angezündet hatte, war
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