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Klotz Und Der Unbegabte Moerder

Klotz Und Der Unbegabte Moerder

Titel: Klotz Und Der Unbegabte Moerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Klier
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langhaariger Mann befand und auf einen Knopf drückte. Es ertönte eine monotone Frauenstimme: »Laugenbrezeln werden gerade nachproduziert. Versuchen Sie es in zehn Minuten erneut.« Der Mann schaute erschrocken, und Klotz, der irgendeine Süßigkeit aus einem Regal genommen hatte, kommentierte trocken: »Oh Mann! Ich wünsche mir eine Welt, in der nicht mehr die Menschen miteinander reden, sondern nur noch die Maschinen!«
    »Ich auch«, merkte Escherlich ohne jede Ironie an, »die labern wenigstens nicht so viel Unsinn.«
    Klotz war erstaunt. Was war nur los mit Escherlich? Der Kerl war schon seit ein paar Tagen ziemlich existentialistisch unterwegs. Vermutlich wieder irgendeine Frauengeschichte, die nicht funktionierte.
    »Macht neun Euro sechs.«
    Klotz fragte sich, ob der Unterschied zwischen der Stimme des Backautomaten und der blondierten Kassiererin mit dem ausdruckslosen Gesicht so wahnsinnig groß war, und holte einen Zehn-Euro-Schein aus seinem Geldbeutel hervor. Die Kassenfrau hatte den Betrag schon eingegeben, als Klotz bemerkte, dass sich sechs Cent in dem Fach für das Kleingeld befanden.
    »Wollen Sie sechs?«, fragte er freundlich und lächelte.
    Die Blondine kniff die Augen zusammen und hob ihre Brauen. Ihre schmalen Lippen pressten sich aufeinander.
    »Cent«, präzisierte Klotz schnell.
    Als die Kassiererin das Wechselgeld geräuschvoll auf die Stahlfläche vor ihm knallte, begriff er, dass er nicht schnell genug gewesen war.
    Über dem Dach der Hauptpost flimmerte die Hitze. Während Klotz die Alditüte in den Kofferraum legte, stierte Escherlich gedankenverloren auf den Kassenzettel. Sie stiegen in das Auto. Escherlich saß neben seinem Chef und glotzte immer noch auf den Kassenbon.
    »Was ist los mit dir, Peter? Du bist heute so … komisch.«
    Der Kriminalkommissar schien die Frage seines Vorgesetzten überhört zu haben.
    »Das gibt’s nicht! Das ist unmöglich!«, platzte Escherlich endlich heraus.
    »Was? Was gibt’s nicht?«
    »Soll ich dir mal den Kassenzettel vorlesen?«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, was daran so interessant sein soll.«
    »Ich muss dir das jetzt vorlesen.«
    »Tu, was du nicht lassen kannst.« Klotz ließ den Wagen an und seinen Kollegen gewähren.
    »Also. Jetzt halt dich fest: Toffifee, Einwegpfand, Früchtetee, Sauerschmand, Meridol, Montepulciano, grüner Kohl, Grana Padano, Joghurtdessert, Backcamembert, Krawatte.«
    »Ja und? Was soll da jetzt sein? Willst du mir etwa unter die Nase reiben, dass ich zu fett esse?«
    »Mann, hast du Bohnen in den Ohren?«
    »Nicht dass ich wüsste.«
    Klotz bog gerade nach links auf den Hallplatz.
    »Na Mensch, merkst du das denn nicht? Dein Kassenzettel reimt sich fast komplett!«, entrüstete sich Escherlich. »Wenn das kein gutes Omen ist, Herr Deutschlehrer.«
    »Ich merk vor allem, dass wir vergessen haben, dein Feuerzeug zu kaufen.«
    Meine Güte, was war das nur für ein jämmerlicher, selbstbespiegelnder Schrott? Klotz warf das gelbe Reclamheftchen in die faltige Fresse von Keith Richards, der sich sein schräges Lächeln nicht austreiben ließ, obwohl ihm jetzt »Die Leiden des jungen Werther« im Gesicht lagen. Cover vom Rolling Stone müsste man sein, dachte Klotz und griff resigniert wieder nach dem Büchlein, das er wütend von sich geschleudert hatte. Dieser Mist aus dem 18. Jahrhundert quoll ja nur so über vor Schmalz und Schmiere! Aber da musste er jetzt durch, ob er nun wollte oder nicht.
    Aus dem Nebenzimmer vernahm Klotz das Geräusch von Geschirr, das in einen Schrank eingeräumt wurde. Ob ihm Melanie vielleicht helfen könnte? Für einen Augenblick keimte Hoffnung in ihm auf, dann fiel ihm wieder ein, dass seine Freundin ja bloß die mittlere Reife abgelegt und damit eine direkte Konfrontation mit den großen Werken der deutschen Literatur tunlichst vermieden hatte. Welch weiser Entschluss, dachte Klotz bei sich, während er sich zum wiederholten Male an den Brief vom 10. Mai 1771 wagte. Eine wunderbare Heiterkeit hat meine ganze Seele eingenommen, gleich den süßen Frühlingsmorgen …

Tag drei
    Die Neonröhre an der Betondecke strahlte hell und gleißend, sodass es beinahe in den Augen schmerzte. Klotz hatte seinen Kopf nach hinten in die Aussparung eines Friseurwaschbeckens gelehnt. Dass sie so etwas überhaupt hatten, hier im Präsidium. Wahrscheinlich war das Becken ein ehemaliges Beweisstück aus den frühen sechziger Jahren. Was das wohl für ein Fall gewesen war? Nun ja, egal. Klotz

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