Klotz Und Der Unbegabte Moerder
es da. Dieses feixende Spitzbubenlächeln, das für Lackner so typisch war. Klotz hätte ihm am liebsten eine Ohrfeige gegeben.
»Nun mach’s mal nicht so spannend«, schaltete sich Escherlich ein, ohne aufzusehen.
»Also gut. Es gibt da tatsächlich eine Sache, die merkwürdig erscheint. Linda Cordes war schwanger.«
»Wie bitte?«
»Sie war schwanger gewesen, müsste man wahrscheinlich genauer sagen. Denn schon bevor sie starb, hatte sie den Embryo verloren.«
»Das heißt, dass sie kurz vor ihrem Tod einen Abgang hatte?«
»Nein. Das muss schon vor einigen Wochen geschehen sein. Und ein natürlicher Abgang scheint mir auch wenig wahrscheinlich. Schaut mal hier, ihre linke Seite, hier in Hüfthöhe.«
Klotz neigte den Kopf nach unten und versuchte, die Kacheln des Sektionssaals zu fixieren.
»Seht ihr die kleinen Narben? Da und da die Blutunterlaufungen?«
»Und? Was bedeutet das?«
»Ich tippe auf Gewalteinwirkung. Dürfte so zwischen sechs und acht Wochen her sein.«
»Sie wurde also geschlagen, meinst du?«
»Entweder das oder ein Unfall.«
»Und dabei hat sie den Embryo verloren.«
»Genau. So ist es.«
Klotz war erleichtert, als sie die Pathologie endlich wieder verlassen durften. Escherlich hatte sich gleich eine Zigarette angezündet, und der Hauptkommissar legte seine rechte flache Hand an die Stirn, um seinen Kollegen durch das Gegenlicht besser sehen zu können.
»Ob diese abgebrochene Schwangerschaft etwas mit Linda Cordes’ Ermordung zu tun hat?«
»Also, auf jeden Fall müssen wir ihren Mann noch einmal zu diesem Umstand befragen«, antwortete Klotz, »es ist schon merkwürdig, dass er das bei unserer ersten Unterredung überhaupt nicht erwähnt hat.«
»Ja, sonderbar. Absolut.«
Escherlich nahm einen tiefen Zug und blies den Rauch genüsslich in die Luft.
»Da gibt es noch was, Werner, was ich dir erzählen wollte.«
»Ja?«
»Ich bin da ja dran wegen der Tatwaffe.«
»Okay.«
»Laanschaf und seine Kriminaltechniker haben inzwischen das genaue Modell ermittelt, zu dem der tödliche Pfeil passt.«
»Und?«
»Für diese Art von Harpune braucht man keinen Waffenschein. Harpunengeräte, die zum Abfeuern ihrer Geschosse keine Munition benötigen, sind nämlich laut Waffengesetz frei verkäuflich.«
»Und wie wird dann so ein Harpunenpfeil abgeschossen?«
»Mit Pressluft. Und Pressluft ist keine Munition.«
»Was ist das bloß für ein Wahnsinn? Wenn ich mit dem Flugzeug nach Hamburg fliege, darf ich noch nicht mal ein Brotmesser im Handgepäck mit mir führen, aber Mordwaffen kann ich mir im lustigen Gunshop an der Ecke einfach so kaufen.«
»Ja, Werner. Was ich dir aber eigentlich sagen will: So abstrus und exklusiv diese Mordwaffe erscheint, sie wird uns nicht zum Täter führen.«
»Sind denn die Käufer dieser Harpunen nicht namentlich registriert?«
»Vergiss es! Diese Waffen wechseln bei Ebay täglich den Besitzer. Begreif doch endlich!«
Escherlich drückte seinen Zigarettenstummel in den Aschenbecher.
»Komm, lass uns gehen, Werner.«
»Ja, los geht’s. Schauen wir bei Paul Cordes vorbei.«
»Ich will dir wirklich nicht zu nahe treten, aber du siehst müde aus, Werner. Lass das mit diesem Cordes mal meine Sorge sein. Ich kann das auch mit der Astrid machen. Die wird froh sein, wenn ich sie vom Berichteschreiben erlöse. Ruh du dich mal aus. Oder bereite deinen Unterricht vor.«
Schweigend trottete Klotz neben Escherlich her. Als sie dessen Wagen erreicht hatten, verabschiedeten sie sich. Zuvor hatte der Hauptkommissar seinem Kollegen noch das Versprechen abgenommen, ihn über die Ermittlungsergebnisse hinsichtlich Paul Cordes’ Befragung so schnell wie möglich zu informieren.
Er hatte sein Gefährt unter einer schattigen Kastanie auf einem Grünstreifen abgestellt. Eigentlich war hier das Parken strengstens untersagt. Klotz hatte das Polizei-im-Einsatz-Schild in der Hand und zögerte. Würde ein Polizeiangestellter im Verkehrsdienst tatsächlich glauben können, dass diese pinkfarbene Zuhälterkarre, auf deren Motorhaube »Pussy Wagon« stand, zu polizeilichen Zwecken gebraucht wurde? Obwohl er dies sehr bezweifelte, rang er sich doch dazu durch, das Schild gut einsehbar hinter der Windschutzscheibe zu positionieren.
Während er den Neutorgraben überquerte, sah er in der Ferne das verwitterte Kuppeldach von Sankt Elisabeth. Er wandte seine Aufmerksamkeit der gegenüberliegenden Seite zu. Dort spitzte das Dach des massigen Neutorturms hervor. Schließlich
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