Klotz Und Der Unbegabte Moerder
fiel sein Blick auf den Spitzhelm des Schlayerturms, der inmitten der Stadtmauer bescheiden zwischen Sankt Elisabeth und Neutorturm in den blauen Himmel ragte. Der goldene Mittelweg. Klotz wusste wieder, wo er hinwollte.
Er schritt durch das Hallertor, vorbei an dem schwarz-weiß-grünen Wappen der Studentenverbindung Saxonia Prag zu Nürnberg. In der Nähe eines graffitibeschmierten Stromkastens bog er nach rechts und ging einen Treppenabgang hinunter. Er sog die Luft ein. Sie duftete nach Fluss. Und nach dem Efeu, der sich um die Baumstämme des Biergartens wand. Als er eine Bank erreicht hatte, ließ er sich nieder, blickte hinüber zum Kettensteg. Vor der frei schwebenden Brücke befand sich eine Absperrung. Sanierungsarbeiten. Normalerweise konnte man hier Touristen oder Einheimische sehen, die vereinzelt ihrer Wege gingen. Von irgendwoher läutete eine Glocke. Halb drei. Um diese Uhrzeit war das Lokal relativ leer. Klotz genoss die Stille. Er schloss die Augen und lauschte dem Rauschen der Pegnitz, das von einem unweit gelegenen Wehr an sein Ohr drang.
»Was darf ich Ihnen bringen?«
Klotz schreckte auf. Vor der ockergelben Fassade des Wirtshauses stand eine junge Frau.
»Einen Sauerbraten, bitte. Was habt ihr denn an Bier da?«
Er bemerkte die Geranien an den Scheiben, die von rot-weiß gestrichenen Fensterläden flankiert wurden.
»Tucher, Zirndorfer, Lederer, alles da.«
»Vom Fass?«
»Nur Tucher.«
»Auch das Urfränkisch dunkel?«
»Leider nur Helles.«
»Hm. Dann ein Zirndorfer Kellerbier, bitte.«
»Gut. Einen Sauerbraten und ein Kellerbier.«
Die Bedienung entfernte sich. Klotz schloss erneut die Augen und nickte ein. Das Hupen eines Autos, dessen Fahrer sich über ein vor ihm plötzlich abbremsendes Mountainbike ärgerte, riss ihn aus seinen kaum begonnenen Träumen. Wenige Sekunden später landete ein Bierkrug auf seinem Tisch.
Klotz nahm einen kräftigen Zug. Linda Cordes war verheiratet gewesen. Doch möglicherweise hatte sie nebenbei die eine oder andere Liebschaft unterhalten. Möglicherweise zu ihrem ehemaligen Lehrer, dem aktuell stellvertretenden Direktor, diesem Daniel Spielmann. Möglicherweise auch zu einem ihrer Schüler, zu Maximilian Rausch. Zumindest bestand da ein ganz besonderes Vertrauensverhältnis. Davon konnte man wohl mit einiger Sicherheit ausgehen. Alle drei Männer waren in ihrer Statur dem Mann auf dem Überwachungsvideo der Sparkasse nicht gerade unähnlich. Wenn es da irgendwelche Amouren gab, dann würde für alle drei ein Eifersuchtsmotiv in Frage kommen, das war klar. Was allerdings nicht ganz so klar war, war diese Geschichte mit der Schwangerschaft. Paul und Linda Cordes hatten verzweifelt versucht, ein Kind zu bekommen. Dafür hatten sie weder Kosten noch Mühen gescheut und sogar fachmedizinische Unterstützung in Anspruch genommen. Und es gelang ja auch. Linda Cordes wurde schwanger, aber durch irgendeine Gewalteinwirkung verlor sie den Fötus.
Eigentlich war der Fall gar nicht besonders schwierig zu lösen, dachte Klotz, dem plötzlich etwas Entscheidendes einfiel. Als ihm die Bedienung den Sauerbraten vorsetzte und einen guten Appetit wünschte, holte er sein Handy aus der Tasche und tippte Laanschafs Nummer ein.
»Hallo, Rudi, grüß dich. Ich hätte da mal eine Frage. Wenn ich dir einen Tatverdächtigen vorbeibringe, dann könntest du doch anhand von dessen biometrischen Daten einen Vergleich mit dem Täter auf unserem Überwachungsvideo durchführen. Das geht doch, oder? … Wie bitte?« Klotz’ Miene hellte zusehends auf, euphorisch nahm er einen Schluck von dem Bier. »So was ist möglich? Das ist ja, phänomenal ist das! … In Ordnung. Dann schick ich’s dir morgen.« Das breite Grinsen war einem ernsthafteren Gesichtsausdruck gewichen. »Na gut, also, wenn so viel zu tun ist, dann eben erst am Donnerstag. Kein Problem … Ja, dir auch. Tschüss.«
Überlastung war wohl an allen Ecken und Enden ein Thema. Je weniger Mittel, desto eingeschränkter die Ermittlungsmöglichkeiten und das Tempo. Aber das machte ja nichts. Die Treffergenauigkeit bezüglich der von Laanschaf angewandten Methode lag bei fast hundert Prozent. Man würde nicht nur die biometrischen Daten der Tatverdächtigen abgleichen, sondern man würde sie auch abfilmen und danach mit Hilfe modernster Computertechnik die Bewegungsmuster vom Tätervideo über die der Verdächtigen legen. Auf diese Weise bekäme man dann Gewissheit, und ein anschließendes Geständnis bei
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