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Klotz Und Der Unbegabte Moerder

Klotz Und Der Unbegabte Moerder

Titel: Klotz Und Der Unbegabte Moerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Klier
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einem Pferdegesicht, das ihm inzwischen bekannt war, funkelten ihn zwei dunkle Augen an. Klotz wischte sich über Stirn und Nase, und Frau d’Abottiglia-Müller drehte sich, ohne ein Wort zu sagen, um und entfernte sich. Klotz’ Blick folgte ihrem froschgrünen Rücken und den kräftigen Beinen, die sich nun die Treppe hoch bewegten. Als die Studienrätin die Galerie erreicht hatte, blieb sie an einer Tür stehen, die sich zwischen Sekretariat und Lehrertoilette befand. Sie blickte sich verstohlen um, bevor sie klopfte.
    Frau d’Abottiglia-Müllers Gang in den Verwaltungstrakt hatte Klotz auf eine Idee gebracht. Er rückte seine Krawatte zurecht und begab sich auf die Empore. Klopfte aber nicht wie seine Vorgängerin an der Tür des Direktorats, sondern an der Tür daneben, auf der groß »Administration« zu lesen war.
    Nachdem er sich bei den Sekretärinnen als Oberstudienrat Bieringer vorgestellt hatte, brachte er sein Anliegen vor: Die Schülerakten der Klasse 11a. Eine der Schreibkräfte zeigte auf einen Rollschrank. Klotz ging in die Knie und öffnete das unterste Fach. Suchte. Zog schließlich die ersehnte Schülerakte hervor.
    Maximilian Rausch, Jahrgang 1992, lebte mit seiner Mutter in der Kreutzerstraße in Sankt Leonhard. Seine Eltern hatten sich vor zwei Jahren getrennt. Klotz sah sich die Zeugnisse der letzten Jahre an und stellte fest, dass es mit Maximilians Leistungen ab dem neunten Schuljahr massiv bergab gegangen war. Das Zwischenzeugnis für das laufende Schuljahr enthielt den Vermerk, dass sein Vorrücken sehr gefährdet war. Überall, wo man hinsah, Vierer und Fünfer. In Religion und Kunst sogar eine Sechs. Da konnte doch nur Auflehnung und Rebellion dahinterstecken. Gegen die Eltern, die ihre Ehe hatten zerbrechen lassen. Die über ihrer Wut, ihrem Frust und die eigene Resignation den Sohn und dessen Bedürfnisse einfach ausgeblendet hatten. So oder so ähnlich wird das gewesen sein, dachte Klotz und erinnerte sich einen Moment lang an seine eigene Scheidung. Seltsam, dachte er, als ihm die Zwei ins Auge fiel, die hinter dem Wort »Deutsch« in dem Zwischenzeugnis abgedruckt war. Seltsam, wirklich wahr. Da verweigert einer durch die Bank weg ganz offensichtlich jegliche Leistung, und im Deutschen dann plötzlich die Bewertung »gut«. Was war da los? Linda Cordes und Maxi Rausch, fuhr es Klotz durch den Kopf, und wenn zwischen den beiden etwas gewesen wäre?
    Er war aufgestanden. Während er durch eine schlierige Scheibe nach draußen auf das Pflaster des Schulhofs blickte, zupfte er eine Fluse von seinem Sakko. Ließ sie los und sah ihr dabei zu, wie sie im Licht langsam auf den Boden sank.
    »Frau äh …«
    »Kruschke.«
    »Frau Kruschke, ich würde gerne diese Schülerakte mit nach Hause …«
    »Das geht nicht. Schülerakten dürfen das Schulgebäude grundsätzlich nicht verlassen. Sie dürfen das Dossier gerne im Lehrerzimmer studieren und danach wieder zurückbringen.«
    »Gut. Alles klar. Dann machen wir das so. Einen schönen Tag noch.«
    »Wiedersehen, Herr Bier äh …«
    »Bieringer.«
    Klotz lächelte verbindlich und verließ den Raum. Als er in der Aula angekommen war, steckte er die Schülerakte in seine Tasche und begab sich auf den Parkplatz.
    Die Hitze schien lotrecht nach unten zu fallen. Klotz sah auf die Uhr. Es war kurz nach zwölf. Ob von Leonies schöner Fönfrisur noch etwas übrig war, fragte sich der Hauptkommissar, als er sich mit einem schweißgetränkten Klopapier, das langsam zerfledderte, zum wiederholten Male über die Schläfen fuhr. Er schlüpfte aus dem Sakko, warf es sich über die Schulter. Lockerte seine Krawatte, öffnete die beiden obersten Hemdknöpfe.
    »Scheiße! Verdammt noch mal!«
    Klotz sah auf und ließ seinen Blick über die reflektierenden Autodächer schweifen. Ein paar Meter neben der Fußballsäule stand ein untersetzter, kahlköpfiger Mann, der seinen Schuh an der Kante einer steinernen Einfassung abstreifte.
    »Dass die ihre Scheißköter immer vor mein Auto kacken lassen! Es ist zum Kotzen! Wenn ich den erwische, der …«
    Klotz schlug die Richtung zu seinem Wagen ein. Der wütende Mann grummelte etwas Unverständliches in seinen nicht vorhandenen Bart. Als Klotz auf der Höhe der Säule angekommen war, drehte sich der Glatzkopf unvermittelt um und lief ohne aufzuschauen los. Fast wäre er mit Klotz zusammengestoßen.
    »Oh, entschuldigen Sie«, der Kahlschädel blickte Klotz erschrocken ins Gesicht.
    »Das war aber knapp!«
    Die

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