Klotz Und Der Unbegabte Moerder
entsprechend erdrückender Beweislast wäre dann vermutlich kaum mehr das Problem. Der Untersuchungsrichter würde umgehend U-Haft anordnen, die Katze wäre also im Sack. Beschwingt nahm Klotz Messer und Gabel in die Hand und schnitt sich ein saftiges Stück von dem Braten ab.
»Kommst du mal?«
»Gleich!«
Er legte »Die Leiden des jungen Werther« aus der Hand und schlurfte in Richtung Schlafzimmer.
»Geht’s auch etwas schneller, bitte? Ich kann das Brett kaum noch halten.«
Seine Schrittgeschwindigkeit nahm zu. Als er im Schlafzimmer angekommen war, sah er, wie Melanie in einem unfertigen Schrankgehäuse stand. Mit einer Hand drückte sie das über sich befindliche Brett nach oben. Die andere Hand streckte sie angestrengt nach einer seitlichen Schrankwand aus, die unten zwar noch am Sockel lehnte, aber oben an eine gegenüberliegende Mauer gefallen war. Um die Schrankwand greifen zu können, hätte sie in die Hocke gehen müssen, doch das ging nicht, da sonst das obere Brett des Schrankrahmens höchstwahrscheinlich nach unten gekippt wäre und sich in der Folge das ganze Arrangement in seine Einzelteile aufgelöst hätte. Klotz sprang fix auf die Schrankwand zu, kippte sie zur Seite, sodass Melanie endlich das obere Brett auf ihr ablegen konnte.
»Puh! Ganz schön anstrengend ist das. Mit vier Händen geht das bestimmt besser.«
Klotz’ Mimik nahm plötzlich einen leidenden Ausdruck an.
»Du weißt doch, mein Unterricht.«
»Vorhin hast du noch gesagt, dass du morgen eh nicht mehr in die Schule musst. Was bereitest du da denn noch vor?«
»Dass ich vermutlich nicht mehr in die Schule muss, hab ich gesagt.«
»Vermutlich, vermutlich! Vermutlich guckst du dir wieder irgendwelche Zeitschriftencovers an, auf denen wahlweise die Titten von Pamela Anderson oder Madonna prangen.«
»Das sind Musik zeitschriften! Wertvolle Sammlerstücke.«
»Ach was!« Melanie wischte sich mit dem Handrücken unter die Nase und machte ein schnaubendes Geräusch. »Kannst du mir mal den Schraubenzieher reichen?«
Klotz fiel auf, wie hübsch sie doch war. Die Art, wie ihr die pechschwarzen Haarsträhnen ins Gesicht fielen. Dass sie jetzt eingeschnappt war, machte sie auf eine besondere Weise noch schöner. Diese aufrichtige, feminine Wut, von der er wusste, dass sie bald wieder in Nachsicht umschlagen würde, zumindest hoffte er das. Während er Melanie dabei beobachtete, wie sie an der Schrankwand herumschraubte, fiel ein Schatten auf sein Gemüt. Wieder musste er an diese Begegnung vor ein paar Tagen denken. Diesmal würde er sich endlich dazu durchringen. Diesmal würde er fragen. Er nahm ein paar Schrauben von einem Umzugskarton und hielt sie Melanie hin.
»Danke«, murmelte sie und fügte nach einer Weile hinzu: »Irgendwie bist du komisch.«
»Ich bin komisch?«
»Ja, seit ein paar Tagen schon.«
»Vielleicht.«
»Hat das was mit deinem Fall zu tun? Dieser Undercover-Aktion?«
»Eher nicht.«
»Gut.«
Angestrengt drehte sie eine Schraube fest. Dann nahm sie sich aus seiner Hand eine neue. Dabei sah sie ihm für einen kurzen Augenblick fest in die Augen. Ihre Verstimmtheit hatte schon etwas nachgelassen.
»Du, Melanie. Ich möchte dich etwas fragen.«
»Bitte.«
»Es geht um diesen Paul Cordes.«
»Um wen?«
»Cordes. Der Rundfunkreporter. Da, als wir uns zufällig getroffen haben. Am Sonntag. In der Wölckernstraße.«
»Ach so, ja. Ich erinnere mich.«
»Ich hatte da so ein komisches Gefühl.«
»Sag ich doch, dass du komisch bist.«
Das war wieder einmal typisch. Wenn ihm mal etwas wichtig war, dann nahm sie ihn nicht ernst. Er entschied sich dafür, nicht weiter auf ihr halbironisches Statement einzugehen.
»Also, ich frag dich jetzt. Du und dieser Cordes, hattet ihr mal etwas miteinander?«
Entgeistert blickte sie ihm ins Gesicht.
»Wie bitte? Kannst du das noch mal wiederholen?« Sie setzte den Schraubenzieher ab und ließ ihn auf den Boden fallen.
»Sag mal«, hub sie an, »unsere Ex-Beziehungen hatten wir doch schon durch. Ein Peter Cordes war da nicht dabei. Das müsstest du eigentlich wissen. Du und dein Ermittlergehirn, das sich doch sonst alles so prima merkt.«
» Paul Cordes. Der Mann heißt Paul mit Vornamen. Nein, jetzt mal ohne Scherz. Ich habe mir das doch nicht eingebildet. Irgendetwas war da doch zwischen euch beiden. Und wenn es nichts mit einer Ex-Beziehung zu tun hatte, was war es dann? Sprich mit mir!«
Melanie senkte den Blick.
»Du hast recht. Da ist etwas. Etwas
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