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Klotz Und Der Unbegabte Moerder

Klotz Und Der Unbegabte Moerder

Titel: Klotz Und Der Unbegabte Moerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Klier
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diskriminieren!«
    Escherlich wartete ab, bis sich das Geldstück, das er gerade in den Automaten geworfen hatte, ausgeklappert hatte. Dann drückte er auf einen Knopf.
    »Mal was anderes. Was ist eigentlich bei der Befragung mit diesem Cordes rausgekommen? Ihr wart doch da, du und Astrid, oder?«
    »Ja, ja. Sorry, dass ich dich nicht mehr angerufen habe.«
    Escherlich machte einen Buckel, um den Kaffeebecher aus der Aussparung des Automaten zu nehmen. Sieht echt aus wie Kraut und Rüben, dachte Klotz, als er das Gestrüpp auf Escherlichs Kopf nun genauer betrachtete. Ob diese Haare wissen, was ein Kamm ist?
    »Guck bitte nicht so. ›Out-of-bed-look‹ heißt das. Da kann der Schmalzlocken-Opa noch was lernen!«
    Out-of-bed-look. Soso. Das war natürlich eine prima Ausrede. Klotz war fest davon überzeugt, dass Escherlich morgens einfach zu faul war, sich zu kämmen. Lieber blieb der doch fünf Minuten länger im Bett liegen, der alte Morgenmuffel.
    »Also, was ist jetzt mit Paul Cordes?«
    »Ein Unfall.«
    »Was meinst du? Bitte der Reihe nach.«
    »Linda Cordes hatte einen Autounfall. Am Donnerstag, dem 21. Mai. Sie wollte nach dem Elternsprechtag nach Hause, und kurz vor ihrer Wohnung hat’s dann gekracht. Rechts vor links. Batz! «
    »Und da hat sie dann den Fötus verloren.«
    »Ja.«
    »Und warum kommt der Cordes damit erst jetzt?«
    »Er sagt, er hätte das ganz vergessen, als du und Astrid da gewesen wart. Er schien außerdem etwas irritiert. Wusste nicht, was die Schwangerschaft mit dem Mord an seiner Frau zu tun haben sollte.«
    »Hm. Na gut«, Klotz kratzte sich nachdenklich an seinem Kinn, »und was macht eigentlich ihr heute so?«
    Escherlich nippte an seinem Heißgetränk.
    »Tatortbefundbericht fertig machen. Akten sortieren. Eis essen.«
    »Dann mach’s mal gut. Ich muss los. Leonie wartet schon.«
    Als Klotz die Aula betrat und einen kurzen Blick auf die Schuluhr warf, bemerkte er, dass er neun Minuten zu früh dran war. Was für ein Glück. Wo man doch wusste, dass es kaum einen Berufsstand gab, für den Pünktlichkeit wichtiger war, als für den der Lehrer. Er blieb stehen, atmete kurz durch und tupfte sich das Gesicht.
    »Hallo, Herr Bieringer!«
    Die mit gebrochener Stimme vorgebrachte Begrüßung ließ Klotz aufsehen. Auf der Galerie lehnte Willibald Schittkowski. Seine Leibesfülle quoll aus einem Spalt hervor, der sich zwischen einem Handlauf und der darunter befindlichen Brüstung auftat. Irgendwie hatte das etwas Verletzliches an sich, fand Klotz, diese Masse, die sich da so hilflos ihrer Umgebung anpassen musste.
    »Hallo, Herr Schittkowski. Wie geht es Ihnen?«
    Statt zu antworten, machte der Angesprochene ein gequältes Gesicht. Klotz beschloss, die wenigen Minuten bis zum Stundenbeginn für eine Plauderei mit dem unglücklichen Kollegen zu nutzen, und begab sich auf die Empore.
    Schittkowski begann ohne Umschweife. »Angst und Verlogenheit, Herr Bieringer. Das sage ich Ihnen.«
    »Wie bitte?«
    »Angst und Verlogenheit. Das ist der Kitt, der dieses Schulsystem im Innersten zusammenhält.«
    Klotz fühlte sich dem pathetischen Tonfall nicht ganz gewachsen.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Das Problem ist doch nicht, dass die Menschen dumm sind. Das Problem ist, dass sie ihre Dummheit nicht erkennen wollen . Das ist doch das wirklich Dumme an der Geschichte.«
    »Entschuldigen Sie, aber ich kann nicht ganz folgen.«
    »Wissen Sie was? Dieses System hier ist doch ein Überwachungs- und Spitzelsystem ähnlich dem in der DDR .«
    Offensichtlich hatte man Schittkowski irgendwie übel mitgespielt, so viel begriff Klotz.
    »Was ist denn passiert?«
    Schittkowski neigte den Kopf nach vorn und verbarg sein Gesicht mit den Händen.
    »Ich war zu spät heute Morgen.«
    »Na, wenn das alles ist«, lachte Klotz.
    Der gequälte Ausdruck in Schittkowskis Miene war einer mit Trotz durchmischten Fassungslosigkeit gewichen.
    »Wissen Sie denn nicht, was das bedeutet? Zu spät kommen . Kann es eine größere Verfehlung, eine größere Sünde für einen Lehrer geben, als zu spät zu kommen?«
    »Steigern Sie sich da gerade nicht ein bisschen in etwas hinein?«
    »Lieber Herr Bieringer. Es spielt keine Rolle, wenn ein Schwerenöter wie dieser Barkhoff Filmaufnahmen von seinen Schülerinnen aus dem Leistungskurs macht, um – wie er behauptet – die Technik beim Weitsprung besser studieren zu können. Ebenso wenig interessiert es, dass achtzig Prozent der Personalratsmitglieder hier Funktionsstellen

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