Klotz Und Der Unbegabte Moerder
can’t imagine.« Wasim hielt sich demonstrativ die Nase zu.
Klotz brachte den Griff wieder in die Ausgangsposition zurück und ließ los.
»Tell me, wo haben Sie das Handy gefunden? I mean, where did you find the mobile phone?«
»You promise to help me?«
Er setzte sich wieder und starrte in die rot unterlaufenen Augen von Wasim Ashkani. Der Blick, der darin lag, war schlimmer als der eines bettelnden Hundes.
»I promise.«
»Give me your hand.«
Klotz reichte ihm seine Rechte.
»I promise to help you. Versprochen«, wiederholte Klotz seine Zusicherung.
Ashkani lehnte sich zurück.
»Next to you.«
»What?«
»I found the mobile phone next to you. You were sleeping. On a bench.«
»Bei mir auf der Bank? Why did you take it?«
Ashkani blickte zur Seite. Neigte den Kopf nach unten.
»I had to do it.«
»Warum mussten Sie das Handy stehlen? Ich begreife nicht. Why?«
»Because, because …«
»Because of what?«
»Because I had lost my flowers.« Ashkani öffnete die Hand, als fielen ihm die Blumen heraus.
»Lost?«
»Yes. Lost. In the blood.«
Sie unterhielten sich lange und ausgiebig. Irgendwann hatte Klotz sogar einen Notizblock hervorgeholt. Er misstraute seinem Englisch und dem seines Gegenübers auch ein wenig. Und deshalb fragte er immer wieder nach, bis er Gewissheit hatte.
Wasim Ashkani war am frühen Sonntagmorgen von der Nonnengasse kommend in Richtung Lorenzer Platz abgebogen. Er hatte sich für halb fünf in einem Nachtlokal in der Nähe des Hallplatzes mit einem Leidensgenossen verabredet. Man wollte noch einen kleinen Kaffee trinken, um danach den gemeinsamen Heimweg anzutreten.
In Höhe des Restaurants Café Lorenz – er hatte den Platz beinahe erreicht – kam ihm ein Mann entgegengelaufen. Hatte ihn so heftig angerempelt, dass ihm die Blumen auf den Boden gefallen waren. Der Mann war einfach weitergerannt, ohne sich umzusehen. Nachdem der kopfschüttelnde Wasim die Rosen vom Boden aufgeklaubt hatte, setzte er seinen Weg fort.
Als er in der Mitte des Lorenzer Platzes angekommen war, bemerkte er einen Mann, der auf einer Bank schlief. Vorsichtig näherte er sich ihm. Wasim bemerkte eine blaue Karstadt-Tüte, die neben dem schnarchenden Mann auf dem Kopfsteinpflaster lag. Gerade in dem Moment, in dem er in die Tüte hineinsehen wollte, hörte er einen schrecklichen Laut in seinem Rücken. Er kannte dieses Geräusch. Es war das Keuchen eines sterbenden Menschen.
Wie betäubt ließ er die Tüte fallen. Drehte sich um. Ging dorthin, wo das Röcheln herkam. Sah diese wunderschöne Frau. Sah das Blut. Sah zwei Augen, die langsam brachen. Wasim kam zu spät. Er musste feststellen, dass er vor einer Toten kniete. Neben ihr lag jetzt sein Rosenstrauß. Er hatte ihn fallen lassen. Ins Blut.
Wasim stand auf und begann zu laufen. Als er an der Bank mit dem schlafenden Mann vorbeikam, schnappte er sich geistesgegenwärtig die blaue Einkaufstüte, in der Hoffnung, sie möge etwas Wertvolles enthalten, was seinen Verlust wieder wettmachen würde.
Nun, das war ja dann auch so, dachte Klotz und überlegte.
»And you didn’t take a rose and put it on the corps of the woman?«
»No.«
»Are you sure?«
»No, I didn’t put a rose on this angel. I swear you.«
This angel . Linda Cordes mochte ja durchaus wie ein Engel ausgesehen haben, aber ob sie tatsächlich einer gewesen war, das stand auf einem anderen Blatt. Klotz hatte da inzwischen so seine Zweifel.
»And the man you saw before you reached the Lorenz place? Can you describe him?«
Wasim blickte kurz in seine leere Kaffeetasse hinein. Dann stierte er auf Klotz’ Notizblock.
»You know what? Before I came to Germany, I was a caricaturist.«
Ein Karikaturist? Klotz ahnte, welche Art von Karikaturen Wasim angefertigt haben musste und dass er vermutlich deshalb hier und heute in Deutschland war. Klotz reichte seinem Gegenüber Block und Kugelschreiber, und Wasim fing an zu zeichnen.
»Should I make some coffee for us while you are drawing the picture?«
»Yes please«, Wasim sah auf und blickte Klotz fest in die Augen, »and you promise to help me?«
»Yes, I do. I promise to help you.«
Klotz warf die Schlüssel für den Camaro auf den Bürotisch und die Tür hinter sich zu. Die Schultasche landete neben dem Stuhl. Dann trat er ans Fenster. Ein Himmel, der von ausflockenden Zirruswolken durchzogen wurde. Das Rascheln der Bäume im Wind. Vor der Jakobskirche ein Schwarm Tauben, der aufstob, als sich ein quietschendes
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