Klotz Und Der Unbegabte Moerder
ignorieren. Rein äußerlich war er auch einfach zu beschäftigt. War gezwungen, sich auf die englische Sprache und seine exotische Begleitung zu konzentrieren.
Nachdem er Wasim Ashkanis Rindsroulade bezahlt und sich einen Fensterplatz gesucht hatte, machte sich Klotz an die Arbeit. Griff sich Salz- und Pfefferstreuer, eine Serviette und einen runden Plastikbehälter, der hölzerne Zahnstocher enthielt. Er war gerade dabei, mit den Utensilien eine Tatortskizze der besonderen Art zu konstruieren, als sich Haevernick und Escherlich zu ihnen gesellten. Klotz machte Wasim mit der Oberkommissarin und seinem Kollegen bekannt, erklärte in wenigen Worten, weshalb der asylsuchende Mann aus Pakistan für den aktuellen Fall so wichtig war, und versprach den beiden, die Skizze, auf der der Sportlehrer Theo Barkhoff abgebildet war, sofort nach dem Essen zu kopieren. Dann kam er auf das Video zu sprechen. Erzählte, was er gesehen hatte und welche Schlüsse aus der veränderten Lage gezogen werden konnten.
»Also. Das hier ist Linda Cordes.«
Er nahm den Salzstreuer und positionierte ihn neben der ausgebreiteten Serviette.
»Hier steht sie am frühen Sonntagmorgen unter den Arkaden der Hypobank. Und das hier«, Klotz schwenkte den Zahnstocherbehälter vor den Gesichtern seiner Ermittlerkollegen, »das hier ist unser Täter. Zum Zeitpunkt des Mordes befindet er sich im Vorraum der Sparkasse.«
Er stellte die Plastikdose an das andere Ende der Serviette, dem Salzstreuer gegenüber.
»So. Unser Mörder öffnet die Tür der Bank. Er geht davon aus, dass die Scharniere eingerastet sind. In dem Moment, wo er sein Ziel anvisiert hat – er hat den Finger schon am Abzug –, rastet die Tür aus und verpasst ihm einen Stoß. Im beinahe selben Augenblick drückt er ab, und der Pfeil der Harpune …«, Klotz nahm einen Zahnstocher, den er über die Serviette fliegen ließ, »… trifft unser Opfer. Linda Cordes.«
Die Spitze des Zahnstochers berührte den Salzstreuer. Klotz schnippte den Glasbehälter um. Ein dumpfes Geräusch. Der Hauptkommissar machte eine Kunstpause. Blickte in die verdutzten Gesichter von Escherlich und Haevernick, die vergessen hatten, die Fleischstücke auf ihren Gabeln zum Mund zu führen.
»Und welchen logischen Schluss müssen wir daraus ziehen, frage ich euch?«
Für einen Moment kam er sich vor wie ein Lehrer. Aber wenigstens wie einer, der es verstand, seine Schüler zu faszinieren, dachte er schmunzelnd.
»Also, wenn das so ist«, begann Haevernick, »dann kann das eigentlich nur eines bedeuten.«
»Und zwar?«, stieß Escherlich ratlos hervor.
»Na, ganz klar, nicht Linda Cordes war gemeint, sondern jemand anderes. Jemand, der sich ganz in ihrer Nähe befand.«
»Bingo!« Klotz schnippte mit dem Finger und knallte im selben Moment den Pfefferstreuer neben den ermordeten Salzstreuer.
»Möglicherweise war ja Barkhoff das eigentliche Ziel«, versuchte Escherlich den Anschluss.
»Möglich«, brachte Klotz in gewichtigem Ton hervor, »möglich und auch ziemlich wahrscheinlich, würde ich meinen. Immerhin kannten sich Cordes und Barkhoff. Und Barkhoff kann von der Statur her unmöglich der Täter sein, das sagte ich ja schon.«
»Und was ist, wenn die eigentliche Zielperson nichts mit der Cordes zu tun hat? Wer sagt uns denn, dass Barkhoff und Cordes sich nicht rein zufällig auf dem Lorenzer Platz getroffen haben? Vielleicht waren beide ja völlig unabhängig voneinander unterwegs«, wandte Haevernick ein.
»Daran habe ich auch schon gedacht«, sagte Klotz, »aber ich glaube das nicht.«
»Und warum nicht?«, fragte Escherlich nach.
»Na, weshalb hat sich Barkhoff nicht als Zeuge gemeldet? Was denkt ihr?«
»Der hängt da mit drin, na klar«, rief Haevernick aus, »wenn er unbeteiligt wäre, dann hätte er nichts zu verschweigen. Logisch.«
»So ist es. Festzuhalten bleibt: Wir müssen von einer ganz neuen Situation ausgehen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit war Linda Cordes so etwas wie ein Kollateralschaden. Sicher ist aber auch, dass sie irgendwie in die Sache involviert war. Die Motivlage stellt sich dennoch vollkommen anders dar. Bisher sind wir von einer Beziehungstat ausgegangen, von Eifersucht. Das sieht jetzt ganz anders aus. Damit haben wir natürlich ein Problem.«
»Die Tatverdächtigen«, warf Escherlich ein und schob sich endlich das erkaltete Fleischbällchen von der Gabel in den Mund.
»Danke, Peter.«
Gestern noch hatte Klotz sich gefreut. Hatte gemeint,
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