Klotz Und Der Unbegabte Moerder
Sonne, rot und schwarz. Zerrissen von Blitzen und Wolken.
»Halten Sie an, Klotz! Halten Sie an, verdammt noch mal!«
Sie stiegen aus. Erst jetzt bemerkte er, dass außer dem Polizeipräsidenten alle verbundene Augen hatten. Was sollte das? Wollten sie Blinde Kuh spielen? Er begriff nicht, und deshalb trank er erneut und wunderte sich, dass das niemand zu bemerken schien.
»So, Klotz«, wandte sich Huber erneut an ihn, »führen Sie die Truppe! Los, los!«
Eine blinde Truppe führen? Wie sollte das gehen? Und wohin überhaupt? Er selbst war betrunken und irgendwie nüchtern zugleich.
»Kommen Sie, Klotz! Wir wollen Ostereier suchen gehen«, munterte ihn der Polizeipräsident auf, der sich immer mehr von ihnen entfernte. Klotz drehte sich um. Hinter ihm glucksten sie. Haevernick, Escherlich und Leonie Zangenberg. Mit verbundenen Augen stießen sie aneinander. Klotz erhob den Arm und wollte etwas sagen, doch plötzlich hatte er Leonies Brüste in den Händen. Er drehte sich in eine andere Richtung. Huber winkte am Horizont. Was war hier los? Er sah auf seine Hände und auf Leonies Brüste. Wo, zum Teufel, war nur seine Weinflasche abgeblieben? Er musste jetzt trinken, unbedingt trinken. Und alles vergessen. Vergessen. Für immer.
Tag fünf
Er wusste nicht, wo er war. Sein Oberkörper lehnte an einer Wand. Er starrte an weißen Fliesen entlang, die an einer Tür endeten. An dieser Tür hing auch sein Sakko. Das nahm er zumindest an. Denn es gelang ihm nur ansatzweise, seine Augen auf scharf zu stellen. Er wollte seinen Kopf drehen, doch sein Körper reagierte nicht. In seinem Hirn gab er das Kommando zur Bewegung, trotzdem tat sich nichts. Arme, Beine, Hände, Füße. Alles wie taub. Von einer Decke strahlte ein Neonlicht und brummte.
Plötzlich hörte er, wie eine Tür geöffnet wurde. Schritte. Das Öffnen eines Reißverschlusses. Ein kurzer, prägnanter Furz. Flüssigkeit, die sich in ein Becken ergoss. Ein Aufatmen. Spülung. Wieder Reißverschluss. Wieder Schritte. Das Klappen der Tür.
Er hörte auf sich anzustrengen. Schloss die Augen. In seinen Schläfen pulsierte es. Was war geschehen? Ihm war es, als spürte er zwei weiche Brüste in seinen Händen. Dann fiel ihm Anja Löterich ein. Ihre Finger um den Flaschenhals. Anja Löterich und das Bier. Anja Löterich und der Filmriss. Er brauchte ein paar Sekunden. Dann, mit einem Mal, ging ihm ein Licht auf. Sie hatte ihm K.-o.-Tropfen verabreicht. Am liebsten hätte er einen Laut der Erkenntnis von sich gegeben, oder wenigstens seinen Mageninhalt, aber das ging nicht.
Trotz seiner inneren Erregtheit beschloss er, es sei das Beste, wieder einzuschlafen. Denn er ging davon aus, dass es danach besser gehen würde. Sein Körper würde die Droge schon irgendwann abgebaut haben, und dann würde er sich auch wieder bewegen können.
Seine Vermutung war richtig gewesen. Das war das Erste, was er dachte, als er sich mit der Zunge über die trockenen Lippen fuhr und die Schalheit in seinem Mund schmeckte. Leicht drehte er den Kopf und spürte ein Stechen in Schultern und Nacken. Er nahm eine Hand und legte sie an die Stirn. Dann stand er auf und wunderte sich, dass das funktionierte. Das Gefühl einer völlig fremdartigen Benommenheit bemächtigte sich seiner. Da war eine Wolke wie aus Watte, die ihn von der Außenwelt zu trennen versuchte. Er sah seine Hand, wie sie nach dem Jackett griff. Öffnete die Toilettenkabine, trat heraus und hatte endlich eine Antwort.
Eins eins null, dachte er und lächelte ein wenig. Eins eins null, das war die Nummer des Raumes, in dem er sich befand. WC Lehrkräfte. Und ihm fiel wieder ein, dass er Polizist war und warum er sich an diesem Ort befand. Wie er allerdings hierhergekommen war, wollte sich ihm nicht erschließen.
Er ging durch die Tür, die in einen Vorraum führte. Sah in den Spiegel über dem Waschbecken. Erkannte sich halbwegs. Öffnete den Wasserhahn und steckte seinen Kopf darunter.
Nachdem er sich mit einer stattlichen Anzahl grauer Papiertücher einigermaßen trocken gerieben hatte, blickte er auf seine Armbanduhr. Es war sieben Uhr fünfundvierzig. In einer Viertelstunde begann sein Unterricht. Die Haupttür des Lehrerklos wurde geöffnet. Klotz drehte sich um und begegnete einem jovialen Grinsen.
»Unser Werner«, rief Willibald Schittkowski, »gerade wollte ich nach dir sehen.«
Klotz, der nicht nachfragen wollte, wischte sich das feuchte Haar nach hinten, während Schittkowski einen Blick in den hinteren
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