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Klotz Und Der Unbegabte Moerder

Klotz Und Der Unbegabte Moerder

Titel: Klotz Und Der Unbegabte Moerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Klier
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vielleicht? Komisch war nur, dass sie nicht zurückwich. Im Gegenteil.
    »Wissen Sie was, Herr Bieringer?«, lispelte das Mädchen in sein Ohr, »ich mag Sie, sehr sogar.«
    Klotz wollte zur Seite treten, doch mit einem Mal drehte sich alles. Ihm war wahnsinnig schwindlig. Mit Mühe hielt er sich am Tresen fest, hatte Angst umzukippen. Er wollte etwas erwidern, doch zu seiner Verwunderung brachte er keinen Ton heraus. Stattdessen stellte er erschrocken fest, dass sich seine Hand an Anja Löterichs Hintern befand. Scheiße! Scheiße! Finger weg!
    Von irgendwoher blitzte es in kurzen Abständen hell auf. Gleißend und weiß. Und mit einem Mal war alles ganz leicht und beschwingt. Reine Euphorie. Als hätte sich in seinem Kopf ein Schalter umgelegt. Eine weiche, sinnliche Melodie ergoss sich in sein Gehirn. Und Anjas rote Lippen kamen auf ihn zu.
     
    Bang bang, he shot me down …
    Große, rote, dunkle Lippen.
    Bang bang, I hit the ground …
    So dunkel und so rot wie Wein.
    Bang bang, that awful sound …
    Schwerer, dunkler Wein.
    Bang bang, my baby shot me down …
    Er hatte eine Weinflasche in seiner Hand und saß hinter dem Steuer seines Wagens. Im Rückspiegel zerfledderte eine untergehende Sonne in blutiges Orange, in tiefschwarzes Rot. Er fuhr durch die Stadt, setzte immer wieder die Flasche an und trank. Ein schnulziges Liebeslied lief im Radio, das er abwechselnd mitgrölte, bald wieder vor sich hinbrummte. Und als das Lied aus war, fing es von Neuem an. Immer wieder. Die Straße wurde breiter, und bald waren kaum noch Häuser zu sehen. Er fuhr in eine Fläche hinein. Der Verkehr dünnte aus. Nur noch vereinzelt waren andere Autos zu sehen. Und nach einiger Zeit schien außer ihm niemand mehr auf der Straße zu sein. Der Wagen schnurrte, die Musik lief, und er wusste, dass er die Ausfahrt nicht verpassen durfte. Plötzlich sah er vor sich eine Pyramide auftauchen. An ihrer Spitze glitzerte und blinkte es grün und blau. Er sah nur auf diese Spitze, sang das Lied, trank aus der Flasche. Und dann, irgendwann, kam eine Ausfahrt. Er bog ab. Bog endlich ab. Und in dem Moment, in dem er das tat, begriff er, dass es die falsche Abfahrt war. Aber das ließ sich jetzt nicht mehr ändern, denn es gab nur einen Weg, und der führte geradeaus.
    Er fuhr unter einer Brücke hindurch. Dann kam ein zweiter, ein dritter Übergang. Immer dichter wurden die Brücken, die er durchquerte, bis irgendwann der Himmel über ihm nur noch aus grauem Beton bestand. Er hielt an, denn da war eine Schranke, rot und weiß und leuchtend. Jemand sprach ihn an, aus einer Gegensprechanlage. Es war die Automatenstimme einer Frau. Sie verlangte seinen Namen und seinen Dienstgrad, und er wusste nicht, was er antworten sollte. Hieß er nun Bieringer oder Klotz? War er Hauptkommissar oder Oberstudienrat? Er entschloss sich zu schweigen. Nahm erneut einen Schluck aus der Weinflasche und sang das Lied.
    I used to shoot you down …
    Die Automatenstimme verstummte, und die Schranke ging nach oben. Nach wenigen Metern begriff er, dass er sich in der Tiefgarage des Präsidiums befand. Er schaltete die Scheinwerfer an, doch die Sicht wurde immer schlechter. Er hielt an und betätigte die Scheibenwischanlage. Das Glas vor ihm verwischte. Tropfen aus Blut.
    Plötzlich wurde die Beifahrertür aufgerissen. Kurz darauf öffneten sich auch die hinteren Türen. Dann saß Huber neben ihm. Der Polizeipräsident war bester Laune. Lachte, pfiff und sang vor sich hin.
    »Mensch Klotz, wissen Sie überhaupt, wie lange wir auf Sie gewartet haben? Schön, dass Sie endlich da sind!«
    Er hatte definitiv die falsche Abfahrt genommen.
    Im Rückspiegel erkannte er Haevernick, Escherlich und Leonie Zangenberg. Alle trugen sie Uniform. Lachten und feixten. Schrien durcheinander, kniffen sich gegenseitig in die Seite, schlugen sich auf die Schenkel.
    »Mensch, Werner! Fahr los, Mann! Fahr endlich los!«
    Wie war er nur in diesen Plot geraten?, fragte er sich. Ich bin hier falsch, vollkommen falsch! Lasst mich gehen! Lasst mich in Ruhe! Lasst mich hier raus!, hätte er am liebsten gerufen. Doch er konnte nicht.
    Stattdessen fuhr er an. Fuhr durch ein Labyrinth aus Kurven, Schleifen und Serpentinen. Irgendwann waren sie an der Oberfläche angelangt. Er trank, und die anderen lachten. Huber klopfte ihm auf die Schulter.
    »Erstklassige Arbeit, Klotz. Ganz großes Kino!«
    Er fuhr weiter. Abwechselnd das Lied und die Weinflasche auf den Lippen. Vor ihnen eine schmelzende

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