Knapp am Herz vorbei
Wachsabdruck kann Egan sich in eine Maschinenwerkstatt schleichen und eine grobe Kopie anfertigen.
Anfang Dezember stehen Willie und Egan auf dem Handballplatz und tun so, als würden sie spielen, in Wirklichkeit aber diskutieren sie über den günstigsten Tag für einen Ausbruch. Willie möchte am Dienstag, dem 13 . Dezember, gehen, aber Egan schüttelt den Kopf. Dreizehn ist seine Unglückszahl. Alle schlimmen Dinge in seinem Leben, einschließlich der meisten Verhaftungen, sind am dreizehnten eines Monats passiert.
Gut, sagt Willie. Dann der zwölfte.
Egan lächelt, macht den Aufschlag an die Wand. Willie hechtet los, um ihn zurückzuspielen, stürzt, und dabei platzen die Schnittwunden an seinem Rücken wieder auf.
Am verabredeten Tag sitzen Willie und Egan beim Mittagessen nebeneinander und gehen den Plan noch einmal durch. Willie sagt, nach dem Ausbruch müssten sie sich sofort trennen. Egan meint, das sei kein Problem. Er hat einen Bruder in der West Side, der ihn verstecken kann.
Sie tauschen einen Blick. Egan nickt. Willie nickt. Dann bis heute Abend, Kleiner.
Der Tag vergeht wie ein Jahrzehnt. Willie kann sich nicht auf seine Arbeit konzentrieren. Er näht sich fast eine Sohle an den Finger. Nach dem Essen, zurück in der Zelle, legt er sich auf seine Pritsche und versucht, sich zu beruhigen. Es geht nicht. Das Herz schlägt ihm bis zum Hals. Sein Herz weiß genau, wenn er und Egan einen Fehler machen, eine falsche Entscheidung treffen, werden die Wachen sie mit Freuden niedermähen. Er stellt sich die Schlagzeilen in den Zeitungen vor, schreibt in Gedanken die Artikel. Unter seinem Kissen holt er einen Brief von Eddie hervor, der inzwischen aus Dannemora entlassen worden ist.
Ich suche Arbeit, Sutty. Nichts zu finden. Die Leute reden immer noch von dir und Marcus. Schön für dich, Kleiner.
Der Wärter auf Willies Etage, Wilfred Brennan, kommt an der Zellentür vorbei und bleibt stehen. Alles in Ordnung, Sutton?
Ja, Sir.
Du schwitzt ja.
Anflug von Grippe, glaub ich, Sir.
Hm.
Sie sehen sich an.
Was ist das da auf deinem Hemd?
Auf meinem Hemd, Sir?
Die roten Flecken.
Wo, Sir?
Da. An der Seite. Und auf dem Rücken. Sieht nach Blut aus.
Ach so, das. Hab mich beim Handball geschnitten.
Beim Handball?
Ja, Sir.
Hm.
Drei Sekunden. Fünf. Eine Ewigkeit.
Nacht, Sutton.
Nacht, Sir.
Fünf Minuten. Zehn.
Willie kriecht zur Zellentür, nimmt das Gitter raus. Er zieht Bauch und Schultern ein und quetscht sich durch das Loch. Er kann es nicht fassen –
er steht vor seiner Zelle. Unbeaufsichtigt.
Eine Tür weniger, bleiben noch sieben.
Er rennt zu Egans Zelle, als der gerade durch sein Loch kriecht. Sie stehen da wie sonst immer auf dem Spielfeld, wenn sie auf den Aufschlag warten. Geduckt und angespannt hören sie die Aufseher in der Etage tiefer.
Und was zum Teufel meinst du, kann Roosevelt erreichen, das Hoover nicht auch könnte?
Ich sag dir, was der nicht tun wird: Militärveteranen auf der Straße abknallen.
Tja nun, das ist ein Argument, das ist ein Argument.
Willie und Egan gehen auf Zehenspitzen ans Ende der Etage und drei Treppen hinunter ins Erdgeschoss. Das zweite Hindernis, eine Holztür, hat ein normales Corbin-Sechs-Stifte-Schloss. Jedes zweite Haus in Amerika hat ein Corbin. Willie hat Dutzende von der Sorte geknackt, und bei diesem dauert es keine drei Minuten. Egan lacht wie bekloppt. Sutton hält ihm den Mund zu.
Das dritte Hindernis hat ein Vorhängeschloss. Sutton holt seinen Spanner heraus und knackt es.
Er und Egan schleichen durch einen Gang zum vierten Tor, wieder eine Holztür, wieder ein Corbin-Schloss. Willie, dessen Finger inzwischen aufgewärmt sind, knackt es in einer Minute.
Das fünfte Hindernis, wieder mit Vorhängeschloss, ist ebenfalls kein Problem für den Spanner.
Sie befinden sich im Speisesaal. Willie atmet so laut, dass er schon befürchtet, den gesamten Zellenblock zu wecken. Er und Egan schlüpfen zwischen den leeren Tischen hindurch und eine weitere Treppe hinunter zum sechsten Hindernis, der letzten Holztür mit einem Yale-Schloss, das noch einfacher ist als ein Corbin.
Das siebte Hindernis ist eine Pforte mit Vorhängeschloss. Willie setzt den Spanner an, aber er bricht. Scheiße, flüstert er. Dann erinnert er sich – es war das letzte Vorhängeschloss.
Sie kommen in den Keller. Da. Die Leitern. Sie binden sie zusammen und tragen sie zur Stahltür. Willie hält den Atem an, als er den Nachschlüssel ins Schloss steckt. Er passt
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