Knapp am Herz vorbei
ich es nicht aus, Mr Actor. Ich hab heute einen Kaffee mehr getrunken. Ich hätte zu Hause pinkeln sollen. Aber ich war spät dran, und der Anblick Ihrer Tommy hat – na ja. Die Sache beschleunigt.
Mach den Safe auf, sagt Eddie mit erhobener Stimme, oder wir erschießen deine Angestellten.
Sie wollen meine Angestellten erschießen, weil ich pinkeln muss?
Willie seufzt. Eddie seufzt. Das ist wirklich brutal, Sutty.
Willie führt den Direktor zur Toilette und wartet an der offenen Tür. Der alte Herr klingt wie ein Gartenschlauch.
Es läuft und läuft. Und läuft.
Himmel, murmelt Eddie. Jetzt muss ich auch.
Schließlich erscheint der Direktor wieder. Er bringt Willie zum Safe, dreht die Scheibe, zieht mit einem Ruck die Tür auf. Plötzlich ist es Willie, der Wasser lassen muss. Die meisten Tresore sind nur halbvoll. Dieser ist bis zum Rand gefüllt. Nicht mal eine Messerklinge würde zwischen die grünen Stapel passen.
Später sitzen sie zu dritt bei Willie um den Couchtisch, auf dem die Beute zu einer Pyramide getürmt ist. Dreimal haben sie das Geld gezählt. Und jedes Mal kommt eine Viertelmillion Dollar heraus. Plank fragt immer wieder: Habt ihr Jungs das gewusst? Willie und Eddie antworten nicht. Das ist wahrscheinlich der größte Raubzug aller Zeiten in dieser Stadt, sagt Plank. Sie antworten immer noch nicht. Das schreit nach einer Party, sagt Plank. Willie nickt stumm. Darf ich meine Frau einladen?, fragt Plank. Willie nickt wieder, ohne nachzudenken.
Mrs Plank kommt mit dem Zug aus East New York. Sie ist Buchhalterin bei einem Metzger und sieht so aus, wie Willie es sich vorgestellt hat – Planks Frau konnte nur so aussehen. Weißblondes Haar, großer sinnlicher Mund, Dummchenblick.
Eddie lädt seine Freundin Nina ein, ein Mannequin. Im vergangenen Sommer war sie auf dem Titel von McCall’s. Sie war mal mit Max Baer zusammen, sagt Eddie, dem Schwergewichtler und Frauenschwarm, und Clark Gable hat sich mal in einem Schrafft’s Restaurant an sie rangemacht. Sie trägt einen engen Pulli, ein am Hals zugeknotetes Seidentuch und einen Hut, der sich auf und ab wellt wie ein Golfplatz. Willie kann sie nicht aus den Augen lassen. Sosehr er sich auch bemüht. Es geht nicht.
Alle trinken zu viel. Plank und seine Frau trinken viel zu viel. Schon bald werfen die Mädchen ihre Kleider ab. In Strapsen und Büstenhalter tanzen sie um den Couchtisch. Mrs Plank greift sich eine Handvoll Hunderter und wirft sie auf Nina, die sich zwei Handvoll schnappt und sie in die Luft schleudert.
Willie sieht zu, wie Eddie lacht und sich auf die Schenkel klopft. Er geht zu ihm und legt ihm einen Arm um die Schulter. Hey, Partner.
Hiya, Sutty.
Willie schielt nach Nina. Wie wär’s, wenn du mich mal ranlässt, sagt er.
Eddie stößt Willie mit dem Arm weg und schaut ihn verwirrt an. Was?
Willie senkt den Kopf und versucht nachzudenken. Er blickt auf. Tut mir leid, Ed. Keine Ahnung, wo das herkam. Ich bin betrunken.
Vergiss es, sagt Eddie und geht weg.
Willie setzt sich schwerfällig auf den Boden, legt sich zurück. Er packt sich ein Kissen unter den Kopf, versucht sein Whiskeyglas auf der Brust zu balancieren und verschüttet die Hälfte. Seine Augen. Er kann sie nicht mehr aufhalten. Bevor sie ihm zufallen, sieht er, wie Eddie Nina zum Fenster bugsiert. Ihre Silhouetten im schwindenden Tageslicht erinnern an Gable und Lombard auf der Kinoleinwand. Willie versucht sich wach zu halten, ihre Lippenbewegungen zu lesen. Aus dem Augenwinkel sieht er, wie Plank seine Frau in Richtung Schlafzimmer scheucht. Er sieht ihren großen, runden Hintern, ihre leuchtend violetten Strapse, ihr zerzaustes weißblondes Haar, das ihr über den Rücken fällt. Kurz bevor Willie einschläft, sieht er noch etwas.
Am nächsten Morgen weiß er nicht, ob er es wirklich gesehen oder nur geträumt hat.
Plank – in Willies Cop-Uniform.
BARKEEPER:
Und was ich noch immer an Ihnen bewundert habe, war die Gewaltlosigkeit. Wenn doch nur mehr Ganoven so wären wie Sie, dann wäre die Welt ein besserer Ort. Heutzutage denken sie sich nichts dabei, einer alten Frau in der U-Bahn auf den Kopf zu hauen und ihr die Handtasche zu klauen.
SUTTON:
Wem erzählst du das. Die Jungs, die in den letzten Jahren nach Attica kamen, nicht zu fassen. Gewalttätig, drogenabhängig. Und faul. Sie kamen zu mir und wollten, dass ich ihnen das Geheimnis des Bankraubs beibringe. Ich hab ihnen gesagt: Das Geheimnis ist scheißharte Arbeit.
BARKEEPER:
Und jetzt
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