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Knapp am Herz vorbei

Knapp am Herz vorbei

Titel: Knapp am Herz vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Moehringer
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Quäkern. Ein schrecklicher Ort. Ich hab natürlich sofort versucht, zu türmen. Sie haben mich erwischt und in eine Dunkelzelle geworfen. Die sie auch Iso nannten. Damals bin ich fast zerbrochen. Dann kam ich in die gelockerte Iso. Das heißt, ich hatte ein Oberlicht. Es gab eine lange Stange zum Öffnen und Schließen des Oberlichts, aber die hat nie funktioniert, und das Oberlicht war immer offen. Am Rand des Zellenblocks sind Ratten entlanggehuscht und durch das Oberlicht gefallen. Aber das war nur ein kleiner Preis, den man dafür zahlen musste, um die Sonne und den Mond zu sehen. Irgendwann hat mir ein Wachmann eine Bibel in die Zelle geworfen. Das war meine Rettung.
    Sie glauben also an Gott, Mr Sutton?
    Ich bin gerade an Weihnachten freigelassen worden, Kleiner. Was glaubst du denn?
    Haben Sie schon immer an Gott geglaubt?
    Halbwegs. An Menschen zu glauben, finde ich schwierig.
    Würden Sie sich als fromm bezeichnen?
    Nee. Aber die Tatsache, dass Gott Fehler macht, war im Knast ein großer Trost für mich. Und dass er sie bereut.
    Steht das in der Bibel?
    Exodus:
Da gereute den Herrn das Unheil, das er seinem Volk zugedacht hatte
. Man bereut nur etwas, wenn es ein Fehler ist, oder? Und man es anders machen würde, wenn man noch mal die Gelegenheit dazu hätte. Jeremia:
Dann wird den Herrn auch gereuen das Übel, das er gegen euch geredet hat
. Einmal fühlt Gott sich so schuldig, dass er sagt:
Ich bin des Erbarmens müde
. Junge, Junge, dieses Gefühl kennt Willie nur zu gut.
     
    Nach achtzehn Monaten gelockerter Iso wird Willie in den normalen Strafvollzug entlassen. Es ist nicht befreiend. Es ist beängstigend. Er erschreckt vor den vielen verschiedenen Stimmen, scheut die plötzliche Masse von Gesichtern. Er weiß, er sollte an seiner Resozialisierung arbeiten und sich wieder an die Menschheit gewöhnen, aber beim Hofgang sitzt er lieber allein und starrt in den Himmel.
    Alle Gefangenen im normalen Strafvollzug müssen arbeiten. Hardboiled teilt Willie als Boten ein. An sechs Tagen in der Woche läuft Willie über das Gefängnisgelände, bringt Nachrichten, Dokumente und Päckchen von Wachmännern zu Verwaltungsbeamten und zurück. Außerdem schleppt er Toiletteneimer in den Türmen hoch und runter. Es gibt dort keine Toiletten, und die Wachen dürfen ihren Posten nicht verlassen. Deshalb kommen Eimer zum Einsatz, wenn sie sich erleichtern müssen. Mehrmals am Tag steht Willie stramm und wartet, während ein Wachmann über einem Eimer ächzt und stöhnt. Dann trägt er den Eimer mit der schwappenden Flüssigkeit die steile Treppe runter und zur nächsten Toilette. Nicht die schönste Art, um sich wieder an die Menschheit zu gewöhnen.
    Nach einem Jahr guter Führung wird Willie mit einer besseren Arbeit belohnt. Hardboiled ernennt ihn zum Sekretär des Gefängnispsychiaters. Willie tippt die Kapitel eines Fachbuchs, an dem Psycho schreibt, und die Notizen aus den Therapiesitzungen. Die erschütternden Geständnisse seiner Mithäftlinge und ihre grausigen Lebensgeschichten lassen Willie über seine eigene nachdenken. Während er Psychos Protokolle abtippt, beginnt er, sich Notizen für die Geschichte von Willie Sutton zu machen – als Autobiographie, Roman, er weiß es noch nicht.
    Am Ende eines Arbeitstages sitzt Willie oft da und plaudert mit Psycho, hauptsächlich weil er das mit Büchern gefüllte Büro, das wohlriechendste Zimmer im Gefängnis, nicht verlassen will. Es duftet nach Leim, Papier und Bleistiftspänen. Willie ist nicht daran interessiert, analysiert zu werden, und Psycho ist offenbar erleichtert, Feierabend zu haben, deshalb sind die Gespräche immer sehr zwanglos.
    Psycho ist ungefähr in Willies Alter, Mitte dreißig, sieht aber viel älter aus. Jeder würde denken, er ist derjenige, der die harte Strafe absitzt. Er hat dünnes Haar, hohle Wangen, seine Augen sind geschwollen vor Müdigkeit. Er trägt immer denselben grünen Tweedblazer, der ihm nicht gerade schmeichelt und Brust und Schultern doppelt so eingefallen wirken lässt. Eines Tages wischt Psycho etwas Asche von seinem grünen Blazer und unterbricht Willie mitten in einer Geschichte über Marcus. Findest du es nicht merkwürdig, Willie, dass du nie einen Fehler machst?
    Was soll das denn jetzt?
    Wenn du geschnappt wirst, ist immer ein anderer daran schuld. Du stellst dich immer als Ritter auf einem einsamen Kreuzzug hin, dazu gezwungen, mit anderen zu arbeiten – und immer sind sie es, die dir ein Bein stellen.
    Aber ich

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