Knapp am Herz vorbei
wollte eigentlich – das heißt, meine Großmutter wollte doch Happy heiraten. Sie ist mit Happy durchgebrannt.
Alles wäre anders, wenn dieser Sheriff nicht hereingeplatzt wäre.
Ja, sicher, von dem Sheriff weiß ich auch, aber laut meiner Großmutter ist er hereingeplatzt, als sie und Happy …
Niemand wäre verletzt worden.
Wer wurde verletzt?
Der Wachmann aus Eastern State. Das viele Blut, das ihm übers Gesicht lief.
Gütiger Himmel.
Und Eddie. Und Margaret.
Wer?
Und Arnie Schuster.
Schuster. Ja. Im Fernsehen haben sie eben über ihn –
Ich gebe zu, dass ich ihn für einen Judas hielt. Aber weißt du, wer der wahre Judas ist? Die Geliebte, die dich verschmäht. Judas war immerhin ein Liebender. Was war, bevor er Jesus verraten hat? Er hat Jesus geküsst. Deswegen bist du der wahre Judas, Bess, und deswegen bist du an allem schuld.
Vielleicht war das doch keine gute Idee.
ICH GEBE DIR DIE SCHULD , BESS .
Sutton versagt die Stimme. Er legt die Hände auf die Knie, beugt sich vor und schluchzt.
Keine gute Idee, sagt sie. Definitiv nicht.
Tut mir leid, Bess. Das war nicht so gemeint. Aber es war ein – wirklich sehr langer Tag. Ich liebe dich, Bess. Und werde dich immer lieben. Es hat mich alles gekostet, aber vielleicht ist es keine Liebe, wenn es uns nicht alles kostet. Ich liebe dich, und werde dich immer lieben, und das – das musste ich dir unbedingt noch sagen.
Er richtet sich auf, legt eine zitternde Hand über die Augen.
Ähm. Gut. Mr Sut –
Sutton lässt die Hand sinken und schaut sie flehentlich an.
Gut, sagt sie – Willie. Ich habe meiner Enkeltochter oft gesagt, dass du mir viel bedeutest. Sehr viel. Genau das waren meine Worte. Sehr viel. Ich werde dir immer dankbar dafür sein, dass du zu mir nach Coney Island gekommen bist, als ich mit meinem ersten Mann Ärger hatte – weißt du noch?
Sutton nickt.
Ich habe meiner Enkeltochter gesagt: Willie war immer so lieb. So ergeben. So loyal. Wie du mich immer angesehen hast, mit großen Augen, das war rührend. Aber ich war mit Happy zusammen. Ich war in Happy verliebt, hoffnungslos verliebt. Ich wollte ihn heiraten. Mein Vater war natürlich dagegen, weil Happy so arm war und wir beide noch so jung, und eines Abends dann hatte Happy bei Finn McCool’s die Idee, dass wir durchbrennen sollten. Happy hat dich gefragt, ob du uns hilfst, ins Büro meines Vaters einzubrechen, weil du das zusammen mit Eddie schon eine Weile gemacht hattest. Weißt du noch? Natürlich war es schwierig für dich, das fünfte Rad am Wagen zu sein, das war mir klar. Ich wusste, du würdest alles dafür tun, um mit Happy zu tauschen. Das hast du mir mehrmals gesagt. Aber ich habe dir gesagt, dass wir nicht füreinander bestimmt sind. Oder? Aus vielerlei Gründen, Willie, waren wir einfach nicht füreinander bestimmt. Du erinnerst dich sicher noch, dass ich dir das gesagt habe, Willie.
Sutton schaut die Straße hoch. Er gibt keine Antwort.
Willie?
Die Leute sagen uns alles Mögliche im Leben, Bess.
Er greift in die Brusttasche und weiß nicht, weshalb. Der Umschlag? Eine Zigarette? Ein Revolver? Macht der Gewohnheit? Da ist nichts.
Wenn ich es nur noch einmal hören könnte, würde ich drüber hinwegkommen.
Es?
Ich würde alles dafür geben.
Ich weiß nicht.
Oh Willie.
Wie bitte?
Was du immer gesagt hast.
Oh Willie
. Keiner hat es so gesagt wie du. Ich dachte, wenn ich es noch einmal höre, könnte ich aufhören wegzulaufen. Könnte ich vielleicht – ich weiß nicht. Ein bisschen inneren Frieden finden. Vor dem Ende. Aber. Wie du sagst. Es sollte nicht sein.
Er winkt, dreht sich um, geht ein paar Schritte. Ihm dreht sich der Kopf, er fühlt sich schwach. Er fürchtet, jeden Moment mit dem Gesicht voran auf den Gehweg zu fallen. Mit Sicherheit schafft er es nicht mehr zum Polara. Doch dann hört er etwas. Er bleibt stehen, schaut zurück. Oh, sagt sie, als würde sie gleich anfangen, die Nationalhymne zu singen. Oh – Willie.
Oh Willie. Oh.
Er zupft an seinem Ohrläppchen. Schüttelt den Kopf. Lächelt leicht.
Nicht unbedingt wie deine Großmutter, sagt er. Aber es genügt. Doch, es genügt, Kate. Viel Glück, Kindchen.
Frohe Weihnachten, Mr Sutton.
Vierundzwanzig
Der Mann an der Rezeption lächelt ihn dämlich an. Was führt Sie zu uns nach Florida?
Ich bin Reporter. Ich schreibe über Willie Sutton.
Ach so. Ich habe davon gehört. Traurig.
Der Mann gibt Schreiber den Zimmerschlüssel und weist ihn auf das kostenlose
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