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Knapp am Herz vorbei

Knapp am Herz vorbei

Titel: Knapp am Herz vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Moehringer
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Ort, an dem seine Brüder ihn nicht angreifen, weil es dort Zeugen gibt. Und deshalb klebt Willie am Küchentisch, macht Hausaufgaben und benutzt den Rest der Familie als unwissende Leibwächter, während seine Brüder lauernd und wartend durch die Zimmer schleichen.
    Ihre Chance kommt, als Vater bei der Arbeit ist, Mutter gerade den Eismann bezahlt, die ältere Schwester bei einer Freundin lernt. Groß schlägt zuerst zu. Er nimmt Willies Schulbuch und reißt die Seiten aus. Größer stopft Willie die Seiten in den Mund. Nicht, versucht Willie zu sagen, nicht, bitte, nicht. Aber er hat den Mund voll Papier.
    Daddo sitzt drei Meter entfernt da und starrt über ihre Köpfe hinweg. He, was ist denn da los?
     
    Schreiber fängt Sutton gerade noch auf, bevor er auf den Boden schlägt. Knipser eilt an Suttons andere Seite. Zusammen führen sie ihn zu der Treppe.
    Willie, sagt Knipser. Was ist denn los, Mann?
    Mr Sutton, sagt Schreiber, Sie zittern ja.
    Vorsichtig setzen sie Sutton auf die Treppe. Schreiber zieht seinen Trenchcoat aus und legt ihn Sutton um die Schultern.
    Danke, Kleiner. Danke.
    Knipser bietet Sutton seinen Schal an. Sutton schüttelt den Kopf und zieht sich den Pelzkragen des Trenchcoats um den Hals. Er sitzt ruhig da und versucht, wieder zu Atem zu kommen. Schreiber und Knipser stehen über ihm.
    Nach ein paar Minuten blickt Sutton zu Schreiber auf. Hast du Geschwister?
    Nein. Einzelkind.
    Sutton nickt, schaut Knipser an. Und du?
    Drei ältere Brüder.
    Haben sie auf dir rumgehackt?
    Ohne Ende, Mann. Hat mich abgehärtet.
    Sutton starrt vor sich hin.
    Und Sie, Mr Sutton?
    Ich hatte eine ältere Schwester und zwei ältere Brüder.
    Haben die auf Ihnen rumgehackt?
    Nein. Ich war ein zäher kleiner Racker.
     
    In der Schule schlägt er sich trotzdem gut. Er bekommt überall ein A, hat nur ein B. Am liebsten würde er sein Zeugnis niemandem zeigen, aber die Schule verlangt die Unterschrift eines Elternteils. Als Mutter ihn umarmt und Vater ihm vor der versammelten Familie stolz zunickt, zuckt er zusammen. Seine Brüder kochen und planen die nächste Verschwörung. Er weiß, was bald kommt.
    Drei Tage später stellen sie ihn vor einem Süßwarenladen. Er kann ihnen entwischen und rennt nach Hause, aber es ist niemand da. Seine Brüder stürmen dicht hinter ihm durch die Tür, greifen ihn an, drücken ihn nach unten, zerren ihn in die Diele. Er weiß, was sie vorhaben. Nein, bettelt er. Nein, nein, nein, nicht das.
    Sie schieben ihn in den Schrank. Es ist stockdunkel. Nein, bettelt er, bitte. Sie schließen ihn ein. Ich krieg keine Luft, sagt er, lasst mich raus! Er rüttelt am Knauf und beschwört sie. Er hämmert an die Tür, bis seine Knöchel und Nagelbetten bluten. Nicht das, alles, nur nicht das. Er kratzt, bis ein Fingernagel abgeht.
    Er weint. Er würgt. Er vergräbt sein Gesicht in den schmutzigen Mänteln und Schals, die nach seiner Familie riechen, die den ausgeprägten Fels-Kohl-Kartoffel-Wolle-Geruch der Suttons tragen, und er betet um den Tod. Mit zehn Jahren bittet er Gott, ihn zu holen.
    Ein paar Stunden später geht die Tür auf. Mutter.
    Jesus, Maria und Josef, was machst du denn da in dem Schrank?
     
    Mr Sutton, meinen Sie, Sie können weitermachen?
    Ja. Glaub schon.
    Schreiber hilft Sutton auf die Füße und führt ihn zum Polara. Knipser geht ein paar Schritte hinter ihnen. Sutton steigt vorsichtig auf den Rücksitz, zieht sein schlimmes Bein hinter sich her. Schreiber schließt leise die Tür. Knipser setzt sich hinters Steuer und schaut Sutton im Rückspiegel an. Wie wär’s mit einem Donut, Willie?
    Um Himmels willen, nein, Kleiner.
    Ich glaube, ich nehme einen. Könnten Sie sie nach vorne reichen? 
    Sutton reicht die rosa Schachtel über den Sitz.
    Knipser nimmt einen Donut mit Cremefüllung und gibt die Schachtel zurück. Schreiber steigt ein und dreht die Heizung hoch. Zu hören sind nur Heizungsgebläse, Funkgeknister und Knipsers Schmatzen.
    Schreiber faltet Suttons Karte auseinander und beugt sich zu Knipser. Sie flüstern. Sutton versteht sie nicht über die Heizung und das Funkgerät hinweg, aber er kann sich vorstellen, was sie sagen.
    Was machen wir jetzt mit ihm?
    Was können wir schon machen? Wir haben ihn am Hals.

Vier
    Willie kommt nach Hause. Mutter liest Daddo im Wohnzimmer aus der Bibel vor. Seine Brüder sind weg. Im Augenblick machen sie jemand anderem das Leben schwer. Mit einem Seufzer der Erleichterung zieht Willie einen Stuhl zu Mutter und legt den Kopf

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