Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Knapp am Herz vorbei

Knapp am Herz vorbei

Titel: Knapp am Herz vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Moehringer
Vom Netzwerk:
haben.
    Er war ein netter Junge, der zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort war. Was für die meisten von uns gilt. Was gibt es da noch zu sagen?
    Irgendeine Idee, wer ihn umgebracht haben könnte?
    Sutton steht auf, wirft Schreiber einen finsteren Blick zu. Immer schön der Reihe nach, Kleiner.
    Aber Mr Sutton –
    Schon mal was vom Alphabet gehört? Tod und Verderben kommen erst ziemlich zum Schluss.
     
    Mit nur noch zwei Dollar in der Tasche geht Willie zum Einberufungsbüro am Times Square. Ein kräftiger Sergeant fordert ihn auf, Platz zu nehmen, reicht ihm ein paar Formulare und fragt ihn, wie viele Klimmzüge er schafft.
    Viele, sagt Willie.
    Liegestütze?
    Treten Sie zurück, sagt Willie, spuckt in die Hände und fällt auf die Knie.
    Der Sergeant fragt beiläufig, ob Willie vorbestraft sei. Willie, noch immer auf den Knien, blickt durch die Glastür zu den vielen Menschen, die sich auf dem Times Square tummeln.
    Tut mir leid, sagt der Sergeant, und nimmt die Formulare zurück. Onkel Sam will sie blitzsauber.
    Eddie und Happy sagen, er soll endlich vernünftig werden. Schon morgen um die gleiche Zeit könnte er die Taschen voller Knete haben.
    Hör endlich mit dem Pfadfindergetue auf, sagt Eddie.
    Hast du überhaupt eine Vorstellung, wie viel wir verdienen?
    Bevor ich mit Gift hausieren gehe, sagt Willie, verhungere ich lieber.
    So wie du aussiehst, sagt Happy, dürfte es in zwei Tagen so weit sein.
    Dann, Mai 1921 . Ein unangenehm warmer Tag. Willie ist in seinem Zimmer, liegt auf dem Bett, liest die Sportseiten. Er ist zwei Monate mit der Miete im Rückstand. Die Tür knallt auf, und er greift nach dem Baseballschläger, um den Vermieter zu vertreiben, der schon mal hereingeplatzt ist. Aber es ist Eddie, völlig außer Atem. Sutty, nimm deinen Hut – sie haben Happy geschnappt.
    Mist. Der Biertransporter?
    Der Transporter, ja. Und Körperverletzung.
    Wen hat er denn verletzt?
    Keinen. Die Cops sagen, er hätte irgendeinen Typen in einer Gasse ausgeraubt, ihm eins über den Schädel gezogen und die Brieftasche geklaut, aber das ist eine dreckige Lüge.
    Im Taxi zur Polizeiwache erklärt Eddie alles. Die Cops sahen eine gute Gelegenheit. Sie wollten Happy benutzen und ihm einen alten ungelösten Fall unterschieben. Und wegen der Endner-Sache wussten sie, dass er gut für Schlagzeilen ist.
    Und wie können wir ihm helfen?, fragt Willie.
    Wenn man einfach auf der Wache erscheint, sagt Eddie, sehen die Cops, dass der Gefangene Freunde hat. Dass er kein Nobody ist. Manchmal verprügeln sie ihn dann nicht allzu schlimm.
    Nicht diesmal. Die Cops schlagen Happy halb tot. Sie verprügeln ihn so lange, bis er die Körperverletzung zugibt und noch eine weitere dazu. Ein paar Wochen später wird Happy im selben Gerichtsgebäude, in dem Willie und er wegen der Entführung von Bess angeklagt waren, von einem Richter für fünf Jahre ins Gefängnis geschickt. Willie und Eddie sitzen in der ersten Reihe. Happy winkt ihnen schüchtern zu, als er in Ketten aus dem Gerichtssaal geführt wird.
    Eddie klopft Willie auf die Schulter. Gehen wir, Sutty.
    Ja, sagt Willie, aber er rührt sich nicht. Er starrt auf den Zeugenstuhl. Es tut ihm schrecklich leid für Happy, und er fühlt sich teilweise verantwortlich, aber vor allem denkt er an das graue Kleid mit dem blauen Kragen und den blauen Manschetten. Und die passende blaue Tasche, die sie krampfhaft wie ein Lenkrad umklammert hielt.
     
    Nach achthundert Metern biegen sie auf die Brooklyn Bridge. Sutton mag den Ausblick von der Brücke immer noch nicht. Er sitzt in der Mitte des Sitzes, wo er den Fluss unten nicht sehen kann und ein Großteil der Skyline von Schreiber und Knipser verdeckt wird. Wie so oft, wenn er irgendwo ist, wo er nicht sein möchte, rezitiert er ein Gedicht.
    – er machte einen Sprung in die Bowery, als der Morgennebel die Freiheitsstatue enthüllte – diese Fackel, die sie da hält, weißt du –
    Was ist das, Mr Sutton?
    Hart Crane.
Die Brücke.
    Was bedeutet das?
    Wer weiß das schon.
    Knipser stellt den Rückspiegel auf Sutton ein. Kennen Sie welche von den Beats?
    Bin ich ’ne Beatbox?
    Die Beats wissen, wo’s langgeht. Ich hab Ginsberg mal fotografiert. Beim Meditieren.
    Im Gefängnis schwört man sich ein Recht auf Leben. Das ist Kerouac – Beat genug?
    Knipser nickt. Kerouac ist cool.
    Sutton beugt sich zur Seite, wirft kurz einen Blick auf die Stadt, lehnt sich wieder zurück. Brummt. New York, sagt er. Man kann noch so oft da

Weitere Kostenlose Bücher