Knapp am Herz vorbei
Glück, aber insgeheim macht sie drei Kreuze. Vater starrt ihn an, und aus seinem Blick spricht die pure Enttäuschung. An seinem freien Tag geht Willie am Fluss spazieren. Er spart sein Geld, um sich mit Eddie und Happy hin und wieder ein Baseballspiel anzusehen. Es ist nicht viel, aber es reicht. Von ihm hört niemand eine Klage.
Dann wird er entlassen. Eddie und Happy ebenfalls.
Sie treffen sich jeden Morgen im Diner, der einzige Ort, der ihnen noch bleibt. Sie reden über die Depression wie über einen Ganoven, den sie gern verprügeln würden. Eddie, auf seiner Seifenkiste: Missratene Ernten, sinkende Preise, und die Banken lassen alles zwangsversteigern, was in Sichtweite ist. Die Banken, sagt er jedem am Tresen. Scheißbanken.
Willie teilt sich sein Erspartes ein. Mit nur einer Mahlzeit am Tag, bestehend aus Sardinen und Crackern, reicht es schätzungsweise für drei Monate. Es tröstet ihn, dass seine Freunde in derselben Klemme stecken, bis es dann nicht mehr so ist. Eddie und Happy landen bei ein paar erfolgreichen Alkoholschmugglern und arbeiten für sie als Fahrer. Die Prohibition ist mittlerweile in vollem Gange, und obwohl Tausende von Kneipenwirten und Bierbrauern ohne Arbeit sind, gibt es alle möglichen neuen Jobs für Leute, die es mit dem Gesetz nicht so genau nehmen.
Eddie und Happy sind wie verwandelt. Sie bewohnen Suiten im St. George, ihre Geldscheinbündel sind dick wie Schinkensandwiches. Sie drängen Willie, bei ihnen einzusteigen, aber nein. Die Zeitungen sind voll mit Geschichten über schwarzgebrannten Schnaps. Er wird aus Rattengift, Balsamierflüssigkeit und Benzin gepanscht. Erst letzten Monat starben vierzehn Menschen an schlechtem Fusel. Sie hatten Glück. Andere wachen blind auf. Nach einem Abend in der Stadt tasten junge Männer und Frauen nach der Lampe auf dem Nachttisch, schalten sie ein – und das Zimmer bleibt dunkel. Ich denke an meinen Daddo, sagt Willie zu Eddie und Happy. Ich möchte nicht schuld daran sein, dass jemand sein Leben in Dunkelheit verbringt.
Eddie und Happy bedrängen ihn, schimpfen ihn – zeigen aber auch Verständnis. Sie geben ihm kleine Darlehen und laden ihn zum Essen ein. Wenn sie zusammen in einen China-Imbiss oder in ein Steakhaus bei der Brücke gehen, zeigen sie Willie nicht die Rechnung.
Danke, Freunde, sagt Willie düster. Ihr habt was gut bei mir.
Bei jedem Essen tragen Eddie und Happy knallbunte Krawatten, schicke Hüte, spitze Schuhe. Willie trägt Hosen, die am Hintern genäht werden müssen. Die mit Bess gekauften Anzüge sind längst im Pfandhaus.
Sutton sitzt auf dem Bordstein gegenüber dem Gefängnis, zwischen Schreiber und Knipser. Als ich aus diesem Knast kam, sagt Sutton, bin ich fast verhungert. Es gab keine Arbeit. Nirgends. Man konnte nur Bier schmuggeln.
Die Prohibition, sagt Knipser und schaukelt wütend vor und zurück. Ständig mischt Big Brother sich in unser Privatleben ein. Früher war es Schnaps, heute sind es Drogen – dahinter steckt dieselbe faschistische Ideologie.
Sutton grinst. Du hast strenge Ansichten, Kleiner.
Und wissen Sie, was das Schlimmste an der Prohibition war, Willie?
Sutton drückt eine Chesterfield aus. Was?
Die Banken. Wer hat denn das Geld der Schwarzhändler gewaschen? Die Banken waren immer übel, aber während der Prohibition sind sie völlig ausgeflippt. Die Bonzen wurden noch reicher. Hab ich recht, Willie?
Sutton zuckt die Schultern. Eins ist jedenfalls sicher: Damals lief nichts so, wie es eigentlich hätte laufen sollen. Die Regierung verbot das Trinken, aber die Leute tranken mehr denn je. Die Frauen bekamen das Wahlrecht, aber sie nutzten es nicht wirklich. Das Radio wurde erfunden – plötzlich konnte man hören, wie Jack Dempsey in dreitausend Kilometern Entfernung seinen Gegner verdrosch –, und sie versprachen, das sei das Ende der Einsamkeit. Verdammt, genau das Gegenteil war der Fall. Die Leute saßen in ihren Zimmern, hörten sich Tanzmusik, Theaterstücke und Gelächter an, aber sie fühlten sich einsamer denn je. Nichts lief nach den geltenden Regeln, nichts erwies sich als so wie versprochen. An diesem Punkt wurden die Leute zynisch.
Schreiber steht auf, schaut auf die Uhr, wirft einen Blick auf die Karte. Unser nächster Halt ist Manhattan, Mr Sutton?
Sutton nickt. Ja. Mit Brooklyn sind wir durch.
Bis auf die Schuster-Sache.
Mhm.
Mr Sutton. Wir hatten eine Abmachung.
Eine Abmachung. Klar.
Die Leser wollen wissen, was Sie zu Schuster zu sagen
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